Die Leiden des Novak Djokovic«Ich hatte das Gefühl, nicht ich selbst zu sein»
Der Serbe sprach erstmals offen darüber, wie sehr ihn die Impfaffäre am Australian Open emotional belastet hat. Und was ihm geholfen hat.

Die Affäre um Novak Djokovic vor dem Australian Open hielt die Tenniswelt in Atem. Nach einem zehntägigen Hin und Her und mehreren Gerichtsterminen musste der ungeimpfte Serbe das Land unverrichteter Dinge wieder verlassen. Worauf Rivale Rafael Nadal mit dem 21. Grand-Slam-Titel im Dreikampf der Tennis-Titanen vorlegte. Djokovic kehrte fünf Wochen später auf die Tour zurück, tat sich aber erstaunlich schwer. In Dubai verlor er gegen Weltnummer 123 Jiri Vesely, in Monte Carlo bereits zum Auftakt gegen den Spanier Alejandro Davidovich Fokina (ATP 46).
In Madrid, wo er am Freitag mit seinem lockeren Sieg über den Polen Hubert Hurkacz (ATP 14) in den Halbfinal einzog, scheint er sich allmählich wieder seiner Normalform zu nähern. Im Interview mit dem «Tennis Channel» sprach er nun erstmals offen über die Auswirkungen der Impfaffäre: «Ich habe unterschätzt, in welchem emotionalen Zustand ich nach Australien war. Ich dachte, ich bin aus Australien raus, was passiert ist, ist passiert, und ich mache weiter. Aber dann spürte ich, dass die emotionalen und mentalen Spuren in den nächsten Monaten immer noch da waren.»
Das habe er erst so richtig realisiert, als er auf die Tour zurückgekehrt sei und wieder offizielle Matches gespielt habe: «Da merkte ich, dass es gar nicht so einfach ist, einfach so abzuschliessen. Ich hatte immer noch mit einem Gefühl zu kämpfen, das schwer zu erklären ist und mich zurückhielt. Vor allem in den ersten Turnieren. In diesen Matches hatte ich das Gefühl, nicht ich selbst zu sein, ich war ein bisschen nervöser als sonst und mental in der Defensive.»
So viel er im Tennis schon erlebt habe, auf und neben dem Court, die Erfahrung in Australien sei für ihn komplett neu gewesen: «Es waren Umstände, mit denen ich noch nie in meinem Leben konfrontiert gewesen war. Es war etwas völlig Unerwartetes, das mich mehr mental und emotional als körperlich belastete. Ich versuchte, wieder in ein optimales Gleichgewicht von Geist, Körper und Seele zu kommen und das nächste Turnier wie jedes andere anzugehen.» Doch das sei nicht so einfach gewesen.
«Ich hoffe, dass ich von nun an wieder die optimale Balance finde, die ich brauche, um mein Bestes zu geben.»
Die Teilnahme am Serbian Open in seiner Heimatstadt Belgrad, wo sein Bruder Djordje der Turnierdirektor ist, habe ihm bei diesem Prozess geholfen. «In Serbien haben mir die Unterstützung des Publikums und die grossartige Energie, die ich dort erlebt habe, geholfen, das zu überwinden. Ich hoffe, dass ich von nun an wieder die optimale Balance finde, die ich brauche, um mein Bestes zu geben», sagte er am Donnerstag in Madrid. In Belgrad hatte er erst im Final gegen den Russen Andrei Rublew (ATP 8) verloren.
Dass er sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen werde, egal, welche sportlichen Sanktionen er gewärtigen müsse, hatte er vor seiner Rückkehr auf die Tour in einem BBC-Interview festgehalten. Als Ungeimpfter musste er auf die Teilnahme an den US-Turnieren in Indian Wells und Miami verzichten, vorderhand drohen ihm keine weiteren Konsequenzen: Er kann sowohl am French Open wie auch in Wimbledon antreten.
Wie das Publikum nach der Affäre in Melbourne auf ihn reagieren wird, bleibt indes abzuwarten. Und auch, was passiert, sollte sich die Situation um das Virus im Herbst wieder verschärfen.
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