Steuergeschenk für HändlerHochprofitable Reedereien sollen zusätzlich gefördert werden
Der Nationalrat will Schifffahrtsgesellschaften nicht mehr nach Gewinn, sondern nach Gewicht besteuern. Läuft das Geschäft, sparen sie viel Steuern. Die Grünen drohen bereits mit dem Referendum.

Es war ein hervorragendes Jahr für die in der Schweiz ansässigen Rohstoffhändler. Die Ausschläge an den Öl-, Kohle- oder Weizenmärkten haben ihnen Auftrieb verliehen. So schrieb der in Genf ansässige Händler Trafigura im letzten Jahr einen Gewinn von 7 Milliarden Dollar – so viel wie noch nie.
Und es könnte noch besser kommen. Der Nationalrat hat am Dienstag der Einführung der sogenannten Tonnagesteuer als Erstrat zugestimmt. Die Steuervorlage wird vom Bundesrat ganz offiziell als «ein Förderinstrument für die Seeschifffahrt» bezeichnet. Sie hat zur Folge, dass Reeder nicht mehr auf Basis ihrer Gewinne Steuern bezahlen müssen, sondern auf Grundlage der Transportkapazitäten ihrer Schiffe. Davon würden auch Rohstoffhändler profitieren, die Frachter besitzen.
SP, Grüne und GLP kritisierten den Entscheid. «Die Bürgerlichen wollen erneut Steuerprivilegien für einzelne Konzerne auf Kosten von uns allen», sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Laut Balthasar Glättli, Präsident der Grünen, diene die Vorlage auch dazu, die globale Mindeststeuer zu umgehen. Seine Partei droht daher bereits mit dem Referendum.
Die Bürgerlichen unterstreichen hingegen die Vorteile der Vorlage. Die Ansiedlung zusätzlicher Unternehmen könne zu neuen Stellen und damit zu Mehreinnahmen führen, so der Aargauer SVP-Nationalrat Thomas Burgherr. Auch Finanzminister Ueli Maurer empfahl im Namen des Bundesrats, der Tonnagesteuer zuzustimmen. Die Vorlage sei «vertretbar».
Ein wichtiges Argument der bürgerlichen Seite ist zudem: Die Schweiz vollziehe damit nur nach, was in vielen anderen Ländern schon seit Jahren gelte.
Sind die Gewinne hoch, fallen die Steuern tiefer aus
Tatsächlich kennt die Reederei-Grossmacht Griechenland die «Tonnage Tax» bereits seit Jahrzehnten. Sie wurde in den Siebzigerjahren eingeführt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Über 20 EU-Staaten haben heute ein ähnliches Regime. Wobei die Steuern pro Schiffstonne in Malta rund achtmal tiefer ausfallen als jene in Frankreich. Die Schweiz will die Vorlage im europäischen Durchschnitt positionieren.
Klar ist daher, dass eine ganze Reihe von Beratungsfirmen den Reedern dabei hilft, den besten – sprich steuergünstigsten – Platz für ihre Flotte zu finden.
Die Firmen fahren mit der Abgabe nicht zwingend besser. Läuft das Geschäft nicht gut und die Firmen machen kaum Gewinn oder schreiben rote Zahlen, müssen die Unternehmen weiterhin die fixen Steuersätze bezahlen, die von der Grösse ihrer Flotten abhängen. Doch wenn das Geschäft läuft und die Reedereien grosse Gewinne machen, dann lohnt sich die Tonnagesteuer für sie.
Das US-Wirtschaftsportal Quartz zeigt den Effekt am Beispiel der dänischen Reederei Maersk auf. 2017 machte der Steuersatz 876 Prozent aus. Die Firma hatte damals einen Jahresgewinn von 25 Millionen Dollar erzielt und 219 Millionen Dollar Tonnagesteuern gezahlt. Im darauffolgenden Jahr zahlte Maersk 400 Millionen Steuern, obwohl es einen Verlust von 360 Millionen Dollar erzielte. Doch als wegen der Pandemie die Frachtraten teurer wurden und auch die Gewinne von Maersk kletterten, sank die relative Steuerlast rasant. Aktuell liegt diese bei 1,9 Prozent.
Wer profitiert von der Vorlage?
Doch die Kritik an der Steuervorlage rührt nicht nur daher, dass sie zu weniger Steuereinnahmen für den Bund führt. An ihr wird auch bemängelt, dass die Datengrundlage unklar ist. So geht aus der Bundesratsbotschaft nicht hervor, wie viel Steuergelder der Schweiz entgehen: «Die finanziellen Auswirkungen einer Tonnagesteuer können letztlich nicht verlässlich geschätzt werden.»
Marius Brülhart, Wirtschaftsprofessor an der Universität Lausanne, schreibt auf Twitter, dass von der Vorlage stark betroffene Kantone wie Genf, Waadt oder Zug die notwendigen Angaben beschaffen können sollten. So liesse sich die Wirkung auf die Steuereinnahmen besser abschätzen.
Auch heisst es in der Vorlage, dass in der Schweiz 60 Schifffahrtsunternehmen insgesamt etwa 900 Seeschiffe bewirtschaften. Der Bundesrat stützt sich dabei auf die Angaben des Branchenverbands Swiss Trading and Shipping Association.
Doch gibt es Zweifel, ob in dieser Zahl tatsächlich alle relevanten Schiffe erfasst sind. Laut der NGO Public Eye betreiben allein die grössten Rohstoffhändler gemeinsam eine Hochseeflotte von deutlich mehr als 2400 Schiffen. Ein Geheimnis ist diese Angabe nicht: Gezählt wurden die Seeschiffe gemäss öffentlich einsehbaren Informationen auf den jeweiligen Websites und den Jahresberichten.
*Ursprünglich stand in der Bildlegende das Schiff stamme aus China, das ist falsch. Das Schiff gehört der Firma Evergreen aus Taiwan.
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