Alte Apfelsorten für Berner Cidre«Heute ersetzen Bauern sterbende Bäume gar nicht erst»
Der Berner Bruno Bucher sucht nach alten Apfelsorten. Dafür reist er im ganzen Kanton Bern herum. Diese will er nicht als Tafeläpfel nutzen, sondern zu Apfelwein verarbeiten.
Es hagelt Äpfel. Kleine, harte Dinger knallen auf den Waldboden. Einige auf die Köpfe der Pflücker, die schützend ihre Arme über sich halten. Bruno Bucher ist oben im Baum, sein Kollege schüttelt mit einer Metallstange die Bäume. 80 Wildapfelbäume hat der Kanton Bern hier in einem Seeländer Wald gepflanzt, weit weg von anderen Apfelbäumen. «Das ist wohl die älteste Sorte, die es gibt», meint Bucher. Die Samen stammen aus dem Jura. Die Bäume – «gragglet vou» – stehen geschützt im Wald, weil sie so nicht von den Tafelapfelbäumen befruchtet werden können. Essbar sind die Malus sylvestris nicht, wegen der vielen Gerbstoffe und der Säure.
Für Apfelwein-Produzent Bruno Bucher sind es perfekte Früchte. «Gerade wegen der Gerbstoffe und wenig Zucker ist die Gärung kontrollierter.» Seit vier Jahren verkauft er unter dem Namen «A. Heftig» Apfelwein, produziert von Äpfeln aus der Region Bern. Was es mit dem Buchstaben A auf sich hat, dazu kommen wir später.
Die Süssen in den Most
Viele Bauern ernten die Äpfel gar nicht mehr, sondern lassen sie liegen, «weil Mostereien zu tiefe Preise dafür zahlen». Bruno Bucher fährt mit seinem Lieferwagen durch die Gegend und sucht solche Hosteten. Nicht alle Apfelsorten eignen sich für Cidre, doch er pflückt dann jeweils alle Bäume ab und macht aus den Ungeeigneten Süssmost.

Beim Wildapfel gab es letztes Jahr sogar einen sortenreinen Wein. Dieses Jahr ist die Ernte schlecht, sodass er diese 200 Kilogramm in den «Cuvée des Pommes» einmischen wird. Cuvées kennt man vor allem beim Wein, darin befinden sich jeweils verschiedene Rebsorten. Genauso macht es Bucher mit seinem Apfelwein. Letztes Jahr hat er 7000 Flaschen abgefüllt.
Bern ist anders als «Mostindien»
Er schätzt, dass in den letzten 50 Jahren 80 Prozent der Bäume verloren gegangen sind. Im Kanton Thurgau, der auch «Mostindien» genannt wird, weil es dort so viele Apfelbäume gibt, stünden ihm viel mehr Bäume zur Verfügung. Im Kanton Bern habe es eine Zeit gegeben, in der die Bauern Geld bekamen, wenn sie Hochstammbäume fällten. «Heute ersetzen sie sterbende Bäume gar nicht erst», sagt er. Da helfe, dass er – anders als die Mostereien – den Landwirten faire Preise für die Äpfel zahle. Jetzt hat er einige Bauern an Bord, bei denen er regelmässig vorbeigeht. Bei vielen muss er aber erst Überzeugungsarbeit leisten. Die Kommunikation mit den Bauern sei nicht immer so einfach: «Denn diese Männer wollen sich oft nicht recht festlegen.»

Bruno Bucher ist unterdessen vom Baum heruntergeklettert, kniet selber am Boden und sammelt Äpfelchen auf. Viel Handarbeit steckt in den Flaschen, die er jeweils im nächsten Frühling verkaufen kann. Sein Vater, sein Onkel, seine Freundin, deren Schwester, deren Freund und noch weitere Personen helfen heute mit. Die Harassen füllen sich nur langsam, die Äpfel sind klein. In der Pause gibts Süssmost, für den Zmittag hat der gelernte Koch Salate gemacht, als Lohn bekommen die Helfer eine kleine Flasche Wildapfelwein.
Pomologen und Antonia unterstützen
Aus den 200 Kilo gesammelten Wildäpfeln gewinnt Bucher ungefähr die Hälfte als Flüssigkeit. Die Produktion befindet sich in Uetendorf in einer Zwischennutzung, später zieht er in die Brauerei an der Güterstrasse hinter dem Inselspital. Er arbeitet ohne Zusatzmittel und Kühlung. Der Winter hilft, die Gärung zu stoppen. Gärt der Saft zu schnell, pumpt er Hefe ab. So kann die Gärung ebenfalls verlangsamt werden.
In dieser Phase müsse er immer viele Entscheidungen treffen. Dabei helfe ihm Antonia, die sein weibliches Alter Ego und eine imaginäre Stütze ist. «Sie hat breitere Schultern und ist selbstbewusster und entscheidungsfreudiger als ich», sagt er. Er ist ein Autodidakt, hat sich alles selber beigebracht und laut seinen Angaben noch nicht ausgelernt. Manchmal sucht er Rat bei den Experten, den Pomologen. Viel hat er über Pestizide gelernt, welche die Gärung verschnellern und unkontrollierbar machen.
Kochen, jagen, keltern
In der Mosterei in Uetendorf: In landigrünen Gummistiefeln steht er in der Mosterei in Uetendorf. Aus einer Harasse schüttet er die kleinen «Granggeli» – die kleinen Äpfel – in die Presse. Nicht zu schnell, denn weil sie so hart sind, kann das Schneideblatt blockiert werden. Die daraus entstandene Maische leert er in einen Behälter. Daraus presst er den Saft. Er macht das mit einer stoischen Ruhe, auch wenn er spricht, ist er ganz ruhig.

Man kann sich vorstellen, dass er mit seiner Art bei den Bauern ziemlich gut ankommt. Er hört gut zu und sagt viel «ieu». Diese Geduld legt er auch bei einer anderen Leidenschaft an den Tag: Denn noch am Morgen trug er keine landigrünen Gummistiefel, sondern lag auf der Pirsch auf der Saxetenalp. Drei Tage allein, schlafen im Biwak und warten auf den Hirsch.
Diese zwei Tätigkeiten haben für ihn etwas Archaisches, etwas Natürliches. Seinen Brotjob übt er im Restaurant Serini im Eichholz in Wabern aus, aber vielleicht wolle er bald ein wenig reduzieren. Denn Zeit braucht nicht nur die Gärung, sondern auch das Sammeln der Früchte. Jetzt ist erst der Wildapfel reif, als nächstes die Birnen, Mitte Oktober die Äpfel. Auch wenn er ins Luzerner Hinterland fährt zu einem Bauern, ist er im Auto nicht allein. Seine imaginäre Freundin Antonia ist bei ihm und wird ihm bei der Produktion zur Seite stehen.
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