
Skirennfahrerin Corinne Suter gibt nach ihrem zweiten Medaillengewinn an der WM ein Interview auf Schweizerdeutsch. Dem österreichischen Fernsehen. Das wäre eigentlich kaum der Rede wert, schliesslich ist es nicht von grundlegendem Interesse, ob Corinne Suter von allen Österreichern verstanden wird oder nicht. Wären da nicht die Reaktionen. Die sozialen Medien wurden am Mittwoch geradezu geflutet von Beiträgen. Und die vorherrschende Meinung lautete: «Bravo, Corinne, für deinen Mut!», «Danke, Corinne, für dein Schweizerdeutsch». Das sagt weniger etwas über die Skirennfahrerin aus als vielmehr über die Befindlichkeit vieler Schweizerinnen und Schweizer.
Da wir nicht unter einem sprachlichen Joch leiden, muss der Ausbruch einen anderen Grund haben. Vermutlich ist er Ausdruck einer diffusen Angst, dass die eigene Identität abhandenkommt, vielleicht auch Ausdruck einer gewissen Frustration, weil die Menschen in Deutschland dem Hochdeutschen näherstehen als wir – und es in der Regel besser beherrschen. Aber ist Verachtung und Abkehr die richtige Reaktion? Sollten wir nicht besser unsere diesbezüglichen Fähigkeiten verbessern? Denn bei Sportlern, Stars und Sternchen mag es unwichtig sein, ob sie des Hochdeutschen mächtig sind oder nicht, für andere, die die Schweiz vertreten, gelten aber andere Massstäbe. Ein Bundesrat zum Beispiel, der von Satz zu Satz holpert, ist keine gute Visitenkarte fürs Land.
Vor allem gibt es in dieser Angelegenheit eine Thematik, die weit über Stilfragen hinausreicht und für das Gemeinwohl elementar ist: die Verständigung untereinander. Es gibt viele Faktoren, warum das Zusammenleben in der Schweiz alles in allem gut funktioniert, Grundlage aber ist das Verstehen. Dabei ist das Erlernen anderer Landessprachen die eine Sache, die andere ist das Bemühen, verstanden zu werden. Und es steht nun einmal ausser Frage, dass Romands, Tessiner und Ausländer die Standardsprache besser verstehen als einen Dialekt.
Es ist also wichtig, dass hierzulande die Wertschätzung des Hochdeutschen erhalten bleibt. Ja, dass man es fördert statt ständig zurückdrängt. Dass man es spricht: in der Schule, an der Gemeindeversammlung, im Radio, im Fernsehen, einfach überall dort, wo viele Leute zuhören und etwas verstehen sollten. Es bleibt im privaten Rahmen genug Platz für jene, die ihre Sehnsucht nach Heimat und heiler Welt über die Sprache stillen wollen. Und unbenommen bleibt all jenen selbstredend auch die Freude, wenn eine Skifahrerin die Österreicher mit ihrem Schweizer Dialekt erfreut.
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Heldin, weil sie im Ausland Mundart spricht – geits no?
Die Aufregung um ein Interview mit Corinne Suter lässt tief blicken. Und gibt zu denken.