TV-Kritik «Tatort»Heike Makatsch kriegt eins aufs Auge
Mit diesem «Tatort» wird die Schauspielerin ihren Fan-Kreis nicht erweitern können: Zu sagen, ihr neuer Fall sei übertrieben, wäre untertrieben.

Am Ende rennt der Mann, den alle für den Täter hielten, einfach los. Volle Pulle, auf die Kamera zu, mit einem Laufstil wie Tom Cruise in den «Mission: Impossible»-Filmen. Er läuft aber niemandem davon. Es wirkt eher so, als wolle er alles abschütteln, was er erlebt hat.
Manchen im Publikum wird es ähnlich gehen. Was da in den letzten 90 Minuten abging, war so an den Haaren herbeigezogen, dass es schon fast wieder Freude machte.
Es treten auf: ein Ex-Häftling – eben der Rennende – der ein Beerdigungsinstitut für Tiere führt und nicht abgeneigt ist, reiche Witwen, die ihren Lieblingshund einäschern, näher kennen zu lernen. Sein Sohn, der erst in der Mitte des Films auftaucht, aber für heftige Erschütterungen sorgt. Und eine Staatsanwältin, die sich dümmer benimmt als es die Polizei erlaubt.
Sie verbeisst sich in ihre Fälle
Ja, diese Polizei. Heike Makatsch ist zum vierten Mal Ellen Berlinger, die zuerst in Freiburg ermittelte und dann nach Mainz wechselte. Diese Kommissarin ist alles andere als eine Sympathieträgerin, sie vernachlässigt ihre Kinder, hält sich nicht an Dienstvorschriften und verbeisst sich total in ihre Fälle. Instinktiv.
Heike Makatsch spielt das mit aller Konsequenz. Einmal fährt ihre Kommissarin den verdächtigen Witwentröster, den sie mit einem jungen Unbekannten gesehen hat, an: «Kriegen Sie eigentlich nur bei Alten und kleinen Jungs einen hoch?» Der findet das nicht lustig. Deshalb ermittelt die Kommissarin von da an mit lädierter Augenbraue.

Die Schroffheit ist Konzept. Für Ausgleich sorgt der von Sebastian Blomberg gespielte Kommissar Martin Rascher. (Weshalb sind die beiden eigentlich kein gleichberechtigtes Duo, wie vielerorts sonst im «Tatort»?) Dessen beruhigendes Einwirken vermag die Kollegin aber kaum zu bändigen. Was für ihn einen verletzten Arm zur Folge hat – und für uns im Publikum die Tatsache, dass wir bei Verhören sogar den schmierigen Verdächtigen sympathischer finden als die Kommissarin.
In wessen Augen, eigentlich?
Theoretisch klingt das Konzept der Makatsch-Kommissarin interessant: Die beliebte Schauspielerin («Love Actually», Knef-Film «Hilde») als schlecht gelaunte Ermittlerin. In Wirklichkeit ist das allerdings überaus nervig. Und weshalb trägt der Film den kryptischen Titel «In seinen Augen»? Das wissen wohl nur der Drehbuchautor Thomas Kirchner (er schrieb viele «Spreewaldkrimis») und der Regieroutinier Tim Trageser.
Am Ende rennt also der Mann, den alle für den Täter hielten, los. Schnell, schnell… zum Erholen ist ja genug Zeit. Jetzt beginnt nämlich die «Tatort»-Sommerpause.
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