Gute Geschäfte mit Ackerland
Internationale Investoren wie Staatsfonds kaufen in Ländern wie Rumänien riesige Anbauflächen. Das stösst zunehmend auf Kritik.

Die vier Lastwagen stehen in Reih und Glied. Kaum ein Fleck trübt das Grau des Betonbodens des Hofes. Nur bei der Verladestation bei den vier grossen Metallsilos liegen noch ein paar Getreidekörner herum. Eine Betonmauer grenzt das Gelände ab. Dahinter erstreckt sich Ackerland bis zum Horizont.
Der Hof gehört Daniel Gheordunescu. Mit seinen 25 Mitarbeitern bewirtschaftet der rumänische Landwirt 2300 Hektaren Land, das entspricht rund 2300 Fussballfeldern oder rund einem Prozent der Fläche des Kantons Zürich. 1000 Hektaren gehören ihm und seiner Familie, die übrige Fläche bearbeitet er im Auftrag der Landeigner. Stolz zeigt der Enddreissiger mit den hellblauen Augen seinen Betrieb im Hinterland der rumänischen Küstenstadt Konstanza, südlich des Donaudeltas. «Ich rechne mit einer guten Ernte von rund 10 Tonnen Mais pro Hektare, das ist eine Tonne pro Hektare mehr als im vergangenen Jahr», sagt der Landwirt.
Andreas Zivy lauscht den Ausführungen von Gheordunescu aufmerksam. Schliesslich ist der Grosshof ein wichtiger Kunde des Basler Getreidehändlers Ameropa, dessen Präsident Zivy ist. Die Basler sind der achtgrösste Getreidehändler der Welt und verkaufen Gheordunescu Düngemittel, Saatgut und Pflanzenschutzmittel. Nach der Ernte kauft Ameropa dem rumänischen Landwirt einen Teil der Ernte ab.
In der Schweiz wird Landwirtschaft noch gern mit den kleinen Bio-Höfen assoziiert, wo Kinder abends alle Tiere und Bäume des Hofs vor dem Zu-Bett-Gehen umarmen. Auch die Fair-Food-Initiative und die Volksabstimmung zur Ernährungssouveränität wenden sich gegen internationales Agrarbusiness und wollen die lokale Produktion mit möglichst hohen Umweltstandards fördern.
Denn Landwirtschaft ist längst ein weltweites Geschäft geworden. Und ein rentables dazu. Die Region des Donau-Deltas gilt dabei als Kornkammer Europas. Rumänien ist mittlerweile der viertgrösste Getreideproduzent in der EU. Auch die Schweiz importiert wachsende Volumina von hier.
Ackerland ist eine Anlageklasse geworden
Kein Wunder, dass zunehmend internationale Investoren, die rentable Anlagen in Zeiten der Tiefzinsen suchen, auf Landwirtschaft in Osteuropa wie zum Beispiel in Rumänien setzen. Ackerland hat sich längst zu einer eigenen Anlageklasse entwickelt.
Das merkt auch Grossbauer Gheordunescu.«Es ist schwieriger geworden, Land zu kaufen, weil Grossinvestoren die Preise treiben», erzählt er. Kostete vor ein paar Jahren eine Hektare noch um die 500 Euro, sind es jetzt bis zu 7000 Euro. Bewirtschaftetes Ackerland ist eine begehrte Ressource.
Die grösste Farm in Rumänien, Agricost Braila, wurde im Juli von der Agrartochter des Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate für geschätzte 250 Millionen Euro gekauft. Der Betrieb bewirtschaftet eine Fläche von 56'000 Hektaren, das entspricht rund einem Drittel der Fläche des Kantons Zürich. Auch Banken wie die Rabobank oder der italienische Versicherer Generali sind als Investoren in Rumänien aktiv.
Seit 2014 dürfen ausländische Investoren Land in Rumänien kaufen, doch schon vorher konnten sich ausländische Adressen mithilfe eines lokalen Partners Land sichern. Daher beklagen Nicht-Regierungsorganisationen wie die rumänische Eco Ruralis, dass der Run der Investoren auf die Ackerflächen die Kleinbetriebe von ihrem Land vertreiben würde. Die hochmaschiniesierten Grossbetriebe würden indes weniger Leute als die Kleinhöfe brauchen, was die Menschen aus den ruralen Gebieten vertreiben würde. Dennoch schlägt sich der Prozess kaum auf die Arbeitslosigkeit durch. Denn immer mehr Rumänen verlassen das Land. Allein im vergangenen Jahr verliessen 684'000 Rumänen ihre Heimat, um im Ausland ihr Glück zu versuchen.
Dafür kommen Ausländer gerne nach Rumänien, um zu investieren. «Rumänien ist ein beliebtes Ziel für gross angelegte Landkäufe», heisst es im Bericht «Land Grabbing in Rumania» von Eco Ruralis. «Fruchtbare Böden, lasche Gesetze, gute Exportinfrastruktur wie der Hafen in Konstanza» sowie ein lückenhaftes Grundbuch – eine Erbschaft aus der kommunistischen Ära –, «all diese Faktoren machen das Land zum Ziel für Investoren».
In den Jahren 2002 bis 2010 seien bereits 150'000 Kleinhöfe verschwunden. Dagegen sei die Zahl der Grossfarmen um drei Prozent gestiegen. In der Lesart von Eco Ruralis würden auch heimische Grosshöfe wie jene von Daniel Gheordunescu die Vertreibung der Kleinbauern vorantreiben.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 wurde das Agrarland zunächst an jene Familien verteilt, die es zuvor im Auftrag des Staates bewirtschaftet hatten. Die Folge: Die Flächen sind zersplittert, die Höfe klein. Im Schnitt bewirtschaftet ein Hof in Rumänien 3,4 Hektaren. In der Schweiz sind es rund 20 Hektaren, in Frankreich 55.
Was Eco Ruralis als «Land Grabbing» verurteilt, ist für die Verfechter der professionellen Landwirtschaft eine notwendige Strukturbereinigung. Denn wegen der grossen Zahl an Kleinhöfen, die kaum mehr als für den Eigenbedarf produzieren, hinkt die rumänische Landwirtschaft auch zehn Jahre nach dem EU-Beitritt in Sachen Produktivität noch stark hinter ihren europäischen Wettbewerbern hinterher. So beträgt der Ertrag in Rumänien im Schnitt 4 Tonnen Weizen pro Hektare. In der EU sind es fast 6 Tonnen.
Ein Vertreter eines Staatsfonds aus dem Golf, der in Region aktiv ist, aber seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, meint daher: «Wenn wir mit weniger Pflanzenschutzmitteln dennoch die Erträge steigern wollen, sind dazu grosse Investitionen nötig, etwa in moderne Maschinen.» Kleine Höfe wären dazu nicht in der Lage.
Auch der Basler Getreidehändler Ameropa profitiert von der Konsolidierung des Landes in Rumänien. Denn Höfe wie jene von Daniel Gheordunescu sind gross genug, um als Handelspartner interessant zu sein. Das Unternehmen, das seit seiner Gründung 1948 in Familienbesitz ist, hat 290 Millionen Franken unter anderem in ein Düngemittelwerk und ein eigenes Hafenterminal in Konstanza investiert und bezieht einen wichtigen Teil des gehandelten Getreides aus Rumänien.
«Kleine Bio-Höfe werden die Welt nicht satt machen», sagt Verwaltungsratspräsident Andreas Zivy. Er beruft sich auf Studien, denen zufolge die Biolandwirtschaft zwar bis zu 75 Prozent der Produktivität der herkömmlichen Methoden erreichen kann. «Aber zu 80 Prozent höheren Kosten. Das können wir uns vielleicht in der Schweiz leisten, nicht aber in anderen Ländern», so Zivy. Aber er äussert Verständnis dafür, dass die Strukturbereinigung der Landwirtschaft kritisch gesehen wird.
Auch Radu Anthohe will Rumäniens Landwirtschaft entwickeln. Der smarte Anfangsvierziger ist von Beruf Tierarzt, berät aber die rumänische Regierung in Sachen Agrarpolitik. «Wir müssen produktiver werden», meint auch er.
Doch wünscht er sich, dass die Strukturbereinigung von heimischen Bauern vorangetrieben wird und nicht von Investoren. Daher gibt es in Rumänien ein Förderprogramm, damit Bauern Genossenschaften bilden, um gemeinsam produktiver zu werden. Parallel wird derzeit ein Gesetz beraten, das einer staatlichen Agentur ein Vorkaufsrecht beim Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen einräumen soll, wenn Familienmitglieder oder Nachbarn des Verkäufers nicht selbst das Land kaufen wollen. Der Staat solle dann die Flächen nach modernsten und ökologischen Standards bewirtschaften und die Produktivität steigern. So wie es Daniel Gheordunescu auf seinem Musterhof bereits macht.
Die Reise fand auf Einladung von Ameropa statt.
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