«Gute Chancen für die Software aus Bern»
HP Schweiz hat mit dem Rechenzentrum RTC in Bern einen Outsourcingvertrag abgeschlossen. HP betreut neu die Informatik der Berner Kantonalbank (BEKB). HP-Chefin Hauke Stars sagt, wie sie die Bankensoftware Ibis in Europa vermarkten will.

Frau Stars, wie sieht die neue Zusammenarbeit zwischen dem Rechenzentrum RTC und HP aus?
Wir haben mehr als 400 Mitarbeitende von RTC übernommen. Mit diesen Fachkräften haben wir am 1. Mai unser Banking Service Center in Bern eröffnet. Es bietet Dienstleistungen auf der Basis der beiden Rechenzentren von RTC an sowie die Einführung und Betreuung von Bankensoftware bei den Kunden. Die grösste Kundin ist die BEKB, die Berner Kantonalbank. Diese ist auch weiterhin Mehrheitsaktionärin der verbleibenden Firma RTC. Wir sind am Aktienkapital nicht beteiligt, und wir haben weder die Rechenzentren noch die Software gekauft – es handelt sich also um einen klassischen Outsourcingvertrag.
In der Öffentlichkeit war RTC im vergangenen Jahr wegen seiner Bankensoftware Ibis im Gespräch. Viele Kunden sind abgesprungen. Wie sieht die Zukunft von Ibis aus?
Das Banking Service Center wird die unter dem Namen Ibis 3G laufende dritte Generation des Softwarepakets weiterentwickeln, und wir werden sie in der Schweiz und im Ausland vermarkten. Wir haben diese dritte Generation der Software genaustens analysiert, bevor wir den Vertrag unterzeichnet haben. Nach intensiver Prüfung sind unsere Experten zur Überzeugung gelangt, dass dies eine hervorragende Bankensoftware ist. Sie ist modular aufgebaut und hat eine serviceorientierte Architektur. Die Marktchancen sind hervorragend – zumal von Ibis 3G aufgrund ebendieser Architektur auch nur einzelne Module zum Einsatz kommen können. Das erleichtert die Vermarktung deutlich.
Bisher hatte die BEKB die Managementverantwortung für RTC. Wer übernimmt sie jetzt?
Man muss klar betonen: RTC ist nur noch eine juristische Person, die nicht mehr operativ tätig ist. Alle Mitarbeitenden von RTC haben zu HP beziehungsweise zum Banking Service Center von HP gewechselt, das auch die beiden Finma-konformen, hochmodernen Rechenzentren von RTC betreibt. Die Verantwortung für dieses Banking Service Center liegt bei HP. Der Leiter heisst Peer Volkman. Er hat viel Erfahrung mit solchen Konstellationen und kann sich sicher gut in die Mitarbeitenden hineinfühlen: Wir haben früher zusammen bei der Firma Triaton in Deutschland gearbeitet. Diese wurde 2004 von HP übernommen. Wir haben also damals denselben Schritt getan wie jetzt die RTC-Mitarbeitenden – und ich hoffe sehr, dass viele der Mitarbeitenden dies wie wir damals als Chance sehen.
Welche Bedeutung hat der Standort Bern im HP-Konzern?
Das Banking Service Center Bern wird Teil eines internationalen Netzwerks von Kompetenzzentren. HP verfügt in mehreren europäischen Ländern bereits über Kompetenzzentren für die Finanzindustrie – zum Beispiel in London, Barcelona und Mailand. Wenn ein HP-Kunde aus der europäischen Finanzbranche künftig ein Anliegen hat, können wir ihm von Bern aus eine Reihe von Dienstleistungen in mehreren Fachgebieten offerieren.
Was steht im Vordergrund?
Es geht um drei Hauptanwendungen. Die erste umfasst das Hosting (Unterbringen im Rechenzentrum. Red.) sowie den Betrieb von Banklösungen – also vor allem von Ibis 3G, aber es kann sich durchaus auch um andere Bankensoftware handeln. Die zweite umfasst die Entwicklung, die Integration sowie den Unterhalt von Anwendungen. Die dritte betrifft Dienstleistungen wie das Ausdrucken von Rechnungen und Belegen. Im RTC-Gebäude im Liebefeld gibt es bereits eine grosse Druckstrasse.
HP Schweiz hatte in der Bankeninformatik offensichtlich eine Lücke.
Es hat mich tatsächlich geschmerzt, dass wir bisher im Finanzsektor zu wenig Leute hatten, um am Markt stark aufzutreten. Dank dem von RTC übernommenen Team ist das jetzt möglich – in der Schweiz und im Ausland.
Nach den Abgängen hat RTC praktisch nur noch die BEKB als grosse Kundin.
Ich kann mich nicht zur Vergangenheit äussern – wir schauen nach vorne und sehen gute Marktchancen. Mit Ibis 3G ist nun eine topmoderne neue Software entwickelt worden. Unsere Spezialisten sind zum Schluss gekommen, dass wir damit auch Kunden in andern Ländern ein wirklich gutes Produkt anbieten können. Gestützt auf diese Analysen hat sich HP entschieden, Ibis 3G international zu vermarkten.
Aus welchen Gründen beurteilt HP die Chancen der Software positiv?
Es handelt sich um eine moderne, stark modular aufgebaute Software. Wir sehen einen Trend, dass die Kunden nicht mehr Komplettpakete kaufen, sondern Einzelkomponenten, die sie in ihre bestehende Umgebung einbauen können. Dafür bietet Ibis 3G die besten Voraussetzungen.
Hatte HP bisher keine eigene Softwarelösung für Banken?
Nein, bis auf ein kleines, lokal eingesetztes Produkt in Österreich hatte HP keine eigene Bankenlösung. Wir verfügten bisher lediglich über ein Framework, einen Rahmen, in welchen die Softwarelösungen eingebaut werden können. Ibis 3G passt ausgezeichnet hinein.
Aber der Schweizer Markt für Bankensoftware ist in den letzten zwei, drei Jahren neu verteilt worden.
Das ist tatsächlich so, und natürlich bedauern wir das. Aber es gibt durchaus auch im Inland noch Chancen. Das grosse Geschäft wittern wir aber hauptsächlich im Ausland: Nachdem HP vor zwei Jahren den IT-Dienstleister EDS übernommen hatte, konnten wir uns in der Finanzsparte deutlich stärken. Auf der Basis dieser guten bestehenden Kundenkontakte und mit dem enormen Banken-Know-how der Mitarbeitenden im Banking Service Center werden wir erfolgreich sein.
Sind die Arbeitsplätze der 400 Mitarbeitenden in Bern gesichert?
Es gibt keine absoluten Garantien. Ob wir die Zahl der Arbeitsplätze erhalten oder gar ausbauen können, hängt vom Markterfolg ab. Wir sind sehr optimistisch, dass wir unsere Ziele erreichen werden.
Zumindest jetzt ist kein Abbau vorgesehen?
Im Moment ist kein Abbau geplant.
Aber HP hat angekündigt, dass weltweit 9000 Stellen abgebaut werden – auch in Rechenzentren.
Dieser Abbau geschieht über drei Jahre, was die Sache relativiert. Es geht darum, dass die Rechenzentren stärker automatisiert werden. In diesem Bereich werden deshalb Stellen verschwinden. Auf der anderen Seite werden wir, was ebenfalls angekündigt wurde, 6000 Stellen aufbauen in Kunden-nahen Aufgabenbereichen, mit anderen Worten: Die zunehmende Automatisierung der Rechenzentren lässt Stellen einsparen, die wir auf der anderen Seite wieder aufbauen, um die Dienstleistungen und Applikationen noch besser zu vermarkten. Wir kennen die detaillierten Auswirkungen auf HP Schweiz noch nicht. Aber ich sehe gute Chancen für die RTC-Rechenzentren. Diese haben früh in HP-Software investiert, und sie sind schon sehr stark automatisiert.
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