Super-G Garmisch-PartenkirchenGut-Behrami siegt und siegt – ist die Konkurrenz zu schwach?
Die Tessinerin rast von Erfolg zu Erfolg. Nach Sieg Nummer 30 im Weltcup ist klar: Alles andere als ihr erstes WM-Gold wäre in Cortina eine Enttäuschung.

Jetzt wird es langsam, aber sicher unheimlich. Lara Gut-Behrami gewinnt und gewinnt, in Garmisch zum vierten Mal in Serie im Super-G. Sie ist wieder die Alleinherrscherin in dieser Disziplin, so wie sie es früher war. 2014 und 2016 gewann sie die kleine Kristallkugel, eine dritte wird bald folgen. 195 Punkte liegt sie vor Teamkollegin Corinne Suter, diese müsste die letzten zwei Rennen für sich entscheiden, um an der Hierarchie zu rütteln. Und selbst dann reicht Gut-Behrami ein 26. Platz zum Triumph.
Was die Tessinerin derzeit in den Schnee zaubert, verblüfft viele. Der Schweizer Speed-Trainer Roland Platzer sagt: «Es geht oft schnell im Sport. Aber so schnell? Die letzten Wochen zeigten auf, wie unerschütterlich Laras Glaube an sich selbst ist. Und mit welchem Genie wir es zu tun haben.»
Die Kanadierin Marie-Michèle Gagnon, im ersten Super-G vom Samstag Dritte geworden, sagt: «Ich sitze stundenlang vor dem Fernseher und schaue Lara beim Fahren zu. Aber egal, wie lange ich analysiere, ich kann nur staunen. Kopieren? Das geht nicht.» Und Kira Weidle, die beste Deutsche, resümiert: «Man kann nur den Hut ziehen. Lara fährt schon in einer eigenen Welt in diesen Tagen.»
Rücktritte – und viele Verletzte
Beim Versuch, während Gut-Behramis Fahrten etwas zu finden, das zu bemängeln wäre, tut man sich gerade ziemlich schwer. Vieles funktioniere wie von alleine, sagt sie denn auch. «Ich bin frei im Kopf und nicht ständig am Kämpfen. Ich muss nicht etwas suchen, das ich verbessern muss.» Sie sei erschöpft, aber auch stolz, trotz Müdigkeit solche Leistungen abrufen zu können.
Für einmal fuhr Gut-Behrami nicht die ganze Konkurrenz in Grund und Boden. Zumindest Petra Vlhova konnte den Schaden in Grenzen halten, als Zweite büsste sie trotz eines Fehlers im Schlussteil nur 28 Hundertstel ein. Es war eine Kampfansage der Slowakin, die ihre Führung im Gesamtweltcup behaupten konnte. Noch liegt sie 42 Punkte vor Gut-Behrami. 182 Punkte zurück liegt die Dritte Michelle Gisin, die kurzfristig nach Bayern gereist war und sich als Elfte ansprechend hielt.
Fünf Podestplätze innert zehn Tagen – womöglich erlebt Gut-Behrami gerade die beste Zeit ihrer Karriere. So unwiderstehlich sie auch fahren mag, ein wenig ist sie auch Profiteurin der Umstände. In den schnellen Disziplinen herrscht an der Spitze schon fast ein Vakuum, weit weg scheinen die Zeiten, als mit Lindsey Vonn, Maria Höfl-Riesch, Anna Veith oder Tina Maze mehrere Spitzenathletinnen der Konkurrenz übermächtig waren.
Als Siegerin des Abfahrts- und Super-G-Weltcups machte sich Corinne Suter im letzten Winter daran, in die Rolle der «Speed-Königin» zu schlüpfen. Nun harzt es auch bei der Innerschweizerin ein wenig: Suter ist zwar weiterhin konstant vorne mit dabei, aber eben nicht mehr ganz vorne. Rang 5 am Montag jedoch war ein kleiner Aufsteller.
Dazu haben Fahrerinnen aufgehört, Viktoria Rebensburg und Tina Weirather etwa. Mikaela Shiffrin, 2019 Weltmeisterin im Super-G, verzichtet derzeit auf Speed-Rennen. Bei den Österreicherinnen fehlt das halbe Team verletzt, Nicole Schmidhofer, Cornelia Hütter, Nina Ortlieb. Und dann gibt es noch die Italienerinnen, die lauter nicht klagen könnten: Federica Brignone plagen Selbstzweifel, Sofia Goggia, die Alleinunterhalterin in der Abfahrt, fällt bis Saisonende aus. Am Sonntag stürzte sie abseits der Rennpiste beim freien Fahren, der Schienbeinkopf am rechten Knie ist gebrochen.
36 Podestplätze in 47 Rennen
Die Schweizerinnen braucht das alles nicht zu kümmern. In 22 Rennen totalisieren sie 17 Podestplätze, addiert man die Männer-Ergebnisse hinzu, sind es deren 36 in 47 Bewerben. Gut-Behrami hätte ihre Hochform kaum besser terminieren können. In einer Woche beginnt die WM, mindestens in drei Disziplinen gehört sie zu den Favoritinnen. Womöglich startet sie zudem im erstmals ausgetragenen Parallelrennen. Sie habe zuletzt extrem hart gearbeitet und brauche nun Erholung, sagt Gut-Behrami, die ein paar Tage daheim in Italien verbringen wird.
Es ist der Aufgalopp zur Mission Gold: 30 Rennen hat sie mittlerweile gewonnen, aber nie bei einem Grossanlass. Es ist der Makel, den sie unbedingt beheben will. Über der Karriere soll schliesslich nie der Titel «die Unvollendete» stehen.
Gut-Behrami redet die Bedeutung einer Goldmedaille gerne klein. Doch wer sich daran erinnert, wie enttäuscht sie war nach dritten Plätzen, etwa bei Olympia 2014 in Sotschi oder an der WM ein Jahr später in Beaver Creek, der ahnt, was ihr ein Erfolg in Cortina bedeuten würde.
Fehler gefunden?Jetzt melden.