Grüne Allianz plant Angriff auf CVP-Bundesratssitz
Die CVP fällt in der Tamedia-Umfrage unter 10 Prozent. Eine grüne Allianz will die Nachfolge von Leuthard in einem Jahr bereits wieder abwählen.

Die Amtszeit der neuen CVP-Bundesrätin oder eines neuen CVP-Bundesrats könnte kurz sein. Sehr kurz. Doris Leuthards Nachfolger wird im Dezember gewählt. Doch die Grünen und Grünliberalen drohen, ihn nächstes Jahr bereits wieder abzusetzen und einen eigenen Bundesrat aus der ökologischen Mitte zu stellen. Schon jetzt gibt es erste Planspiele für eine grün-grünliberale Bundesratsallianz. Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen, sagt unverhohlen: «Die vorzeitigen Rücktritte könnten leider dazu führen, dass einer der beiden neu zu wählenden Bundesräte nach einem Jahr bereits wieder abgewählt werden müsste.»
Grossen stellt sogar schon ein Abwahlszenario in den Raum: «Möglich wäre, dass die Grünliberalen, die BDP und die Grünen gemeinsam einen Bundesrat fordern.» Das Volk müsse im Bundesrat angemessen vertreten sein. Schon heute seien nur 76 Prozent der Stimmbevölkerung durch die Bundesratsparteien in der Regierung repräsentiert. «Wenn sie nach den nächsten Wahlen im Bundesrat noch deutlich schlechter vertreten wären, müsste die Zauberformel angepasst werden, um die Konkordanz zu wahren», hält Grossen fest. Ganz ähnlich sieht es Grünen-Präsidentin Regula Rytz: «Wenn die CVP weiter stark an Wähleranteilen verliert und die grünen Kräfte gewinnen, muss die Zusammensetzung des Bundesrates infrage gestellt werden.»

Der Hintergrund des grünen Vorpreschens: CVP und FDP haben die Kleinparteien mit den strategischen Rücktritten ihrer beiden Bundesräte diese Woche vor den Kopf gestossen. Mit dem vorzeitigen Doppelrücktritt ein Jahr vor den Parlamentswahlen werde «der Status quo zementiert», sagt Rytz. Damit nehme man der Bevölkerung die Möglichkeit, mit dem Parlamentswahl-Zettel im nächsten Herbst indirekt auch die Zusammensetzung des Bundesrates zu bestimmen.
Der Ärger ist umso grösser, als die Wähleranteile der Grünen und Grünliberalen zusammengerechnet bald wesentlich grösser sein dürften als die der serbelnden CVP: Einerseits haben die Ökoparteien in den vergangenen drei Jahren in den Kantonalwahlen gut abgeschnitten, während die CVP oftmals unten durch musste.
Umfrage prophezeit CVP eine Wahlschlappe
Andererseits zeigt die neueste Wahlumfrage von Tamedia: Die eidgenössischen Wahlen in einem Jahr könnten für die CVP in einer Katastrophe enden. Die einst stolze und konservative Volkspartei könnte richtiggehend aufgerieben werden und erstmals unter einen Wähleranteil von 10 Prozent fallen. Wenn heute gewählt würde, so das Umfrageergebnis, würden nur noch 9,9 Prozent die CVP wählen. Das sind 1,7 Prozentpunkte weniger als bei den letzten Wahlen 2015. Damit verfestigt sich der Trend: Die CVP pendelt in den Tamedia-Umfragen seit Anfang Jahr zwischen 9 und 10 Prozent. Was noch im Januar als Ausreisser nach unten hätte abgetan werden können, ist jetzt ein klarer Trend.
Und die Voraussetzungen werden sich für die CVP nicht verbessern. Mit Doris Leuthard verliert die CVP eine Bundesrätin, die auch nach 13 Amtsjahren immer noch grosse Strahlkraft besass. Trotz seit einem Jahr anhaltender Rücktrittsdiskussion ist sie in der kurz vor ihrem tatsächlichen Abgang durchgeführten Tamedia-Umfrage immer noch die zweitbeliebteste Bundesrätin. Ihre potenziellen Nachfolger mögen alles solide Politiker sein. Eine Strahlkraft, wie sie Leuthard für die CVP hatte, werden sie nie haben. In der Partei weckt das schlimmste Befürchtungen: «Wenn wir schon mit Leuthard verloren haben, enden die Wahlen ohne sie erst recht im Debakel», heisst es.
Fällt die CVP bei den Parlamentswahlen unter 10 Prozent, dürfte sie bereits deutlich schwächer sein als eine Allianz der Ökoparteien. Dennoch wird es nicht einfach sein, einen solchen Zusammenschluss zu realisieren. Denn die Grünen und die Grünliberalen haben weniger Gemeinsamkeiten, als man auf den ersten Blick meinen könnte: In der Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozialpolitik vertreten sie zum Teil diametral andere Standpunkte. Und selbst in der Umweltpolitik haben sie unterschiedliche Ansätze: Während die Grünen ihre Umweltziele vorwiegend mit Verboten und Vorschriften durchsetzen möchten, setzen die Grünliberalen auf Anreize.

Um sich in einem allzu engen Bunde grüner Zweisamkeit nicht in die Haare zu geraten, tendieren beide Parteien denn auch zu einer grösseren Allianz. Genau gleich wie Grünliberalen-Präsident Grossen favorisiert auch die grüne Nationalrätin Sibel Arslan eine grün-grünliberale Allianz unter Einbezug der BDP. Grünen-Präsidentin Rytz ist noch offener: «Ich schliesse nicht aus, dass es eine Allianz innerhalb des Rot-Grün-Mitte-Spektrums geben könnte.» Wichtig sei, dass damit die Umweltpolitik angemessen im Bundesrat vertreten sei.
Eine weitere Hürde: Die heterogene Gruppe aus Liberalen und Linksgrünen müssten einen Kandidaten finden, der allen passt. Offiziell werden natürlich noch keine Namen genannt. Aber klar ist, dass praktisch nur die grünliberale Fraktionschefin Tiana Angelina Moser infrage käme. Als linksliberale, ökologische Frau wäre sie mehrheitsfähig. Bei den Grünen gibt es schon seit längerem Überlegungen, mit dem ehemaligen Berner Regierungsrat Bernhard Pulver einen Bundesratssitz zu holen. Als gemässigter Grüner mit Regierungserfahrung hätte er ein gewisses Potenzial.
Linksliberale CVP-Kandidatin könnte Angriff abwehren
Allerdings ist es fraglich, ob die Allianz im Parlament genügend Stimmen gegen die CVP zusammenbringen könnte. Gemäss aktueller Wahlumfrage könnte das schwierig werden: Sie sagt zwar eine Stärkung der ökologischen Mitte voraus, prognostiziert aber gleichzeitig einen leichten Trend nach rechts.
So oder so: Die grünen Planspiele bringen die CVP schon jetzt unter Druck. Um einen Angriff aus der ökologischen Mitte am besten abwehren zu können, brauche es nun eine linksliberale CVP-Frau als Bundesrätin, sagt ein Parteistratege. Es ist kein Zufall, dass in der Partei deshalb jetzt viele auf eine Kandidatur der Walliser Nationalrätin Viola Amherd hoffen.
Offiziell lässt sich Parteipräsident Gerhard Pfister nicht aus der Ruhe bringen. «Ein Angriff auf uns muss dann demokratisch schon gut legitimiert sein», meint Pfister und sagt: «Umfragen sind Umfragen. Wir werden im Wahlkampf noch mobilisieren können und ein besseres Resultat erreichen.»
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