
Noch ist die Lust klein, über Politik jenseits von Corona zu reden. Dabei wäre es höchste Zeit: Das Virus hat die Bedingungen für Schlüsseldossiers auf allen Staatsebenen verändert. Die öffentliche Hand wird in den nächsten Jahren finanziell enge Spielräume haben; sie muss die durch Krisenhilfe gestiegenen Schulden verkleinern und mit tieferen Steuereinnahmen planen.
Die Vorzeichen haben sich verändert – das müsste nun auch den Blick auf Grossbern verändern. Bisher waren die Fusionspläne ein staatspolitisches Seminar, ein Nice-to-have-Projekt, ein Vorhaben von schwer vermittelbarem Nutzen. Jetzt erhält es durch Corona neue Dringlichkeit.
Ostermundigen, schon länger klamm, wird die Corona-Folgen besonders zu spüren bekommen, etwa in Form erhöhter Sozialhilfeausgaben. Eine leistungsstarke Gemeinde mit guter Infrastruktur und erträglichem Steuersatz: Diesen Anspruch zu erfüllen, wird für Ostermundigen nach Corona noch schwieriger. Das müsste jene verunsichern, die bisher Nein zur Fusion mit Bern gesagt haben. Weil sie einem Dorf nachtrauern, das es schon lange nicht mehr gibt, oder von der rot-grünen Stadt nur Schlechtes erwarten.
Just die rot-grüne Stadt ist eben dabei, zu realisieren, dass die Party vorbei ist. Die sorglose Ausgabenpolitik hat schon vor dem Virus ein Finanzloch verursacht, das jetzt wegen Steuerausfällen noch grösser wird. In dieser Situation mit dem schwächeren Ostermundigen zusammenzugehen – sicher nicht, so der Reflex bei vielen. Doch wer ein paar Regeln der Betriebswirtschaft kennt, merkt: Mit der Fusion wird der Stellenetat grösser, es lassen sich Synergien nutzen, Sparen tut weniger weh, man kann Kräfte für die Digitalisierung bündeln.
Es ist der Moment, vorwärtszumachen. Nicht übermütig, sondern realistisch. Bremgarten, Frauenkappelen, Kehrsatz und Bolligen zögern, also gilt es, bis 2023 wenigstens Bern und Ostermundigen zusammenzubringen. Das wäre nicht Grossbern, aber ein grösseres Bern mit mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Corona hätte so doch Gutes bewirkt.
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Kommentar zu den Fusionsplänen – Grösseres Bern statt Grossbern
Bisher galt die Fusion Berns mit fünf Vorortsgemeinden als Nice-to-have-Projekt. Corona ändert das. Bern und Ostermundigen sollten nun vorwärtsmachen.