
Rikard Grönborg blieb am späten Abend des 23. Dezembers nach dem 2:6-Debakel in Ambri noch längere Zeit alleine hinter der Spielerbank und starrte aufs Eis. Wahrscheinlich spürte der Schwede da schon, dass dies sein letztes Spiel mit den ZSC Lions gewesen war. Die Entwicklung der letzten Wochen zeigte klar nach unten, in Ambri fiel das Team richtiggehend auseinander. Und Grönborg war ohnehin schon als Trainer auf Bewährung in seine vierte ZSC-Saison gestartet.
Nun haben die ZSC Lions den Schweden entlassen – und auch seine Assistenten Peter Popovic und Johan Andersson. Die Trennung ist richtig. Zuletzt wirkte bei Grönborg alles festgefahren. Die Zürcher traten in den letzten Wochen freudlos und berechenbar auf, vom Coach kamen kaum mehr Impulse. Er sprach während der Spiele fast öfter mit den Schiedsrichtern als mit den eigenen Spielern. Es wäre naiv gewesen zu glauben, Grönborg hätte den Turnaround nochmals schaffen können. Er sei beratungsresistent, hört man. Und für die nächste Saison hat er ja ohnehin schon beim finnischen Spitzenclub Tappara Tampere unterschrieben.

Für die ZSC Lions ging es also darum, eine Trendwende Richtung Playoff zu schaffen und die Weichen für die Zukunft zu stellen. Mit dem Engagement von Marc Crawford, der sie schon von 2012 bis 2016 coachte, haben sie sich für eine pragmatische Lösung entschieden. Sie wissen, was sie vom 61-Jährigen bekommen. Er ist ein impulsiver Coach, der fieberhaft nach Lösungen sucht, wenn es nicht passt, und der für optimistisches Offensiveishockey steht. Anders ausgedrückt: Er ist so ziemlich das Gegenteil von Grönborg.
Als der zweifache schwedische Weltmeister-Trainer 2019 in Zürich antrat, betonte er, kein typischer Schwede zu sein, da er lange in Nordamerika gelebt und gecoacht hatte. Ein Trainer, der die Stärken verschiedener Eishockey-Kulturen auf sich vereint, das klang wunderbar. Grönborg wähnte sich auf dem Weg in die NHL, die ZSC Lions sollten für ihn nur eine Zwischenstation sein. Doch der gewiefte Rhetoriker blieb hier vieles schuldig.
Leuenberger täuschte sich
ZSC-Sportchef Sven Leuenberger täuschte sich in Grönborg. Nicht nur, was dessen Mentalität betraf. Es war ein Handicap, dass dieser noch nie zuvor ein Clubteam auf höchstem Niveau geführt hatte. Er schaffte es nicht, das Team über die Saison weiterzuentwickeln, interessierte sich kaum für die jungen Spieler und verstand es nicht, allen im Team eine Rolle zuzuweisen. Und als die Zürcher im Frühjahr im Playoff-Final gegen Zug 3:0 führten und nach dem Pokal griffen, kostete er sie mit seiner Sturheit den Titel, wurde er von seinem Gegenüber Dan Tangnes ausgecoacht.
Erneut ist damit ein Nordländer bei den ZSC Lions gescheitert, wie zuletzt Hans Wallson (2017). Grönborg ist ein grosser Name, doch er kam nie richtig in Zürich an, wirkte unnahbar, zuweilen professoral. Und seine Konzepte der Selbstverantwortung, so gut sie klingen mögen, verfingen hier nicht. Die ZSC Lions brauchen einen Coach der klaren Worte, einen Kommunikator, der auch einmal laut werden kann, bei dem die Spieler wissen, wo sie stehen. Und der während der Spiele an der Bande Einfluss nimmt und mit seinem Coaching die Dynamik eines Spiels verändern kann.
Kein Wunder, sind die Meistercoaches der ZSC Lions alle Kanadier: Ruhnke, Huras, Kreis, Hartley, Crawford, Kossmann.
Kein Wunder, sind die Meistercoaches der ZSC Lions alle Kanadier: Kent Ruhnke (2000), Larry Huras (2001), Harold Kreis (2008), Bob Hartley (2012), Marc Crawford (2014), Hans Kossmann (2018). Diese passen einfach besser zu diesem Team, das meist sehr talentiert ist, aber zu einer gewissen Bequemlichkeit neigt. Es macht nichts, wenn es auch einmal laut wird in der Garderobe. Ein ZSC-Coach muss das Feuer im Team entfachen können. Zuletzt spulten die Zürcher ihr Programm ab wie Eishockey-Beamte. Es tat weh, ihnen bei der Arbeit zuzuschauen.
Das Kapitel NHL ist zu
Nun kehrt Crawford zurück, und mit ihm auch sein treuer Assistent Rob Cookson (61). Bis Mitte Januar nimmt Michael Liniger dessen Job ein, da Cookson bis da noch unabkömmlich ist. Die Rückholung eines Coaches, der Erfolg gehabt hat, birgt stets auch Risiken. Bei Arno Del Curto klappte es 2019 nicht mehr. Crawford ist 61 und soll, so hört man, noch voller Tatendrang sein. Das Kapitel NHL ist für ihn, der von 2016 bis 2022 bei Ottawa und Chicago als Assistent und kurz auch als Headcoach wirkte, abgeschlossen. Die ZSC Lions sind wahrscheinlich die letzte grosse Herausforderung in seinem Trainerleben.
Crawford trifft am Donnerstag in Zürich ein und wird dann gleich das Training leiten. Am Sonntag gegen Biel gibt er sein Comeback an der ZSC-Bande. Als der Kanadier Mitte Oktober bei der Eröffnung der Swiss-Life-Arena als Gast dabei war, funkelten seine Augen. In den vier Jahren unter ihm stiegen die Zuschauerzahlen im Hallenstadion markant an. Die ZSC Lions gewannen dreimal die Qualifikation und 2014 den Meistertitel, gefielen mit ihrem erfrischenden Tempoeishockey. Crawford ist ein Film-Liebhaber und mag auch im Eishockey grosses Kino. Man darf gespannt sein, welches Genre die ZSC Lions im neuen Jahr unter ihm bieten.
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Trainerwechsel bei den Lions – Grönborg ist weg, sein Nachfolger passt besser zum ZSC
Die Zürcher holen ihren früheren Meistercoach Marc Crawford zurück, er bekommt einen Vertrag bis 2025. Es ist eine pragmatische Lösung, die einiges verspricht.