Gericht verurteilt Pistorius wegen Mordes
Das Berufungsgericht in Südafrika kippt ein Urteil aus erster Instanz. Oscar Pistorius habe mit «krimineller Absicht» gehandelt, kam der Richter zum Schluss.
Dramatische Wende im Fall des südafrikanischen Sprintstars Oscar Pistorius: Ein Berufungsgericht in Bloemfontein hat den 29-Jährigen am Donnerstag wegen Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp verurteilt. Das neue Strafmass muss noch festgelegt werden.
Die Vorinstanz hatte Pistorius lediglich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt und eine Haftstrafe von fünf Jahren verhängt. Das Berufungsgericht stellte nun aber fest, dass Pistorius mit «Absicht» gehandelt habe, als er im Februar 2013 durch die geschlossene Toilettentür seines Hauses schoss.
«Grundlegender Irrtum»
Der Angeklagte sei «des Mordes schuldig», da er mit «krimineller Absicht» geschossen habe, begründete Richter Eric Leach das Urteil, dessen Verkündung von mehreren südafrikanischen Fernsehsendern live übertragen wurde. Die Vorinstanz muss das neue Strafmass festlegen; Pistorius muss mit mindestens 15 Jahren Haft rechnen.
Der Richter bezeichnete den Fall als eine Tragödie, die so auch aus der Feder von William Shakespeare stammen könnte. Der unterschenkelamputierte Sportler hatte Steenkamp im Februar 2013 durch die geschlossene Toilettentür seines Hauses in Pretoria erschossen.
Er beteuerte stets, Steenkamp für einen Einbrecher gehalten und sie in Panik erschossen zu haben. Der Vorinstanz bescheinigte das Berufungsgericht nun einen «grundlegenden Irrtum» bei der Rechtsauslegung.
Opfer-Identität spielt für Urteil keine Rolle
Die fünf Berufungsrichter urteilten, dass Fahrlässigkeit nicht in Betracht kommen könne: Denn der Angeklagte habe vier grosskalibrige Kugeln durch die Toilettentür geschossen und somit das Risiko erkennen müssen, dass er jemanden dahinter töte, ungeachtet der Identität seines Opfers.
«Ich habe keinen Zweifel (...), dass der Angeklagte, als er die tödlichen Schüsse abgab, notwendigerweise vorhersehen musste und vorhergesehen hat, dass die Person hinter der Tür, wer auch immer sie war, zu sterben drohte», führte Leach aus.
«Die Identität des Opfers ist nicht ausschlaggebend für die Beurteilung der Schuld.» Auch ein Bombenattentäter sei ohne Zweifel des Mordes schuldig, auch wenn er seine Opfer nicht kenne.
«Unbegreiflich»
Darüber hinaus verwiesen die Richter in ihrem Urteil darauf, dass Pistorius keinen Sicht- oder Sprechkontakt mit dem angeblich im Badezimmer vermuteten Einbrecher hatte, sondern nur ein Geräusch gehört habe. Daher habe der Angeklagte «absolut nicht gewusst, ob diese Person eine Bedrohung war», sagte Leach.
Unter diesen Umständen sei es «unbegreiflich, dass ein vernünftiger Mensch annehmen konnte, dass er im Recht war, mit einer grosskalibrigen Waffe zu schiessen». Damit schloss sich das Berufungsgericht im Kern der Argumentation von Staatsanwalt Gerrie Nel an, wonach Pistorius den Menschen hinter der Tür töten wollte.
Derzeit im Hausarrest
Pistorius nahm an der Urteilsverkündung des Berufungsgerichts nicht teil, was dem üblichen Prozedere in Südafrika entspricht. Er war im Oktober wegen guter Führung in den Hausarrest entlassen worden. Mitte November trat er einen Sozialdienst an, den er im Zusammenhang mit dem Hausarrest ableisten muss.
Eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft, Bulelwa Makeke, sagte AFP nun, dass Pistorius vorerst unter Hausarrest bleibe, bis ein neues Strafmass verkündet werde - voraussichtlich Anfang nächsten Jahres.
Steenkamps Vater zufrieden
Steenkamps Vater Barry begrüsste das Berufungsurteil. «Ich bin mit allem zufrieden», sagte er dem Fernsehsender ANN7. Die Mutter June Steenkamp nahm das Urteil im Gericht ohne äussere Regung auf.
Ein Sprecher der Pistorius-Familie sagte, die Verteidigung werde weitere Schritte prüfen. Pistorius könnte eine eigene Berufung vor dem Verfassungsgericht anstreben.
AFP/SDA/woz
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