MSC und LufthansaGerangel um die italienische Luftfahrt
Im Drama um den Staatsflieger ITA sah es nach einem Happy-End aus. Doch dann stürzte die Regierung in Rom, und nun wackelt der Verkauf an die Schweizer Reederei und die deutsche Airline.

Der italienische Premier Mario Draghi wird erst in zwei Monaten abgelöst, dieser Tage aber hat er in Rimini bereits eine grosse Abschiedsrede gehalten. Er mahnte: «Protektionismus und Isolationismus sind nicht mit unserem nationalen Interesse vereinbar.»
Das war offenbar an die Adresse von Giorgia Meloni gerichtet. Der neue Star der italienischen Rechtsnationalisten ist haushohe Favoritin vor den Wahlen am 25. September. Und sie will den Verkauf der staatlichen Fluggesellschaft ITA Airways stoppen.
Sechs Stunden nach der Rede Draghis sagte die rechte Spitzenkandidatin der Nachrichtenagentur Reuters diplomatisch: «Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, dass wir den Staatsflieger behalten.» Wenn sie zu den Italienerinnen und Italienern spricht, sagt die Postfaschistin direkt, dass sie keine ausländischen Firmenkäufer ins Land lassen will.
Schweizer Reederei mit im Boot
Das ewige Drama um römische Pleiteflieger, die seit Jahrzehnten nur mit den regelmässigen Zuschüssen von Steuermilliarden abheben können, scheint also kein Ende zu nehmen. Erst Alitalia, jetzt die neue ITA Airways. Als im Juli die Regierungskrise ausbrach, war der Verkauf der Fluggesellschaft ausgemachte Sache.
Im römischen Finanzministerium haben die Schweizer Grossreederei MSC von Gründer Gianluigi Aponte und die Lufthansa vor einer Woche ihr viertes Übernahmeangebot für ITA abgegeben, die vor einem Jahr nach der Insolvenz von Alitalia gegründet worden war. MSC und Lufthansa bieten dem Vernehmen nach etwa 850 Millionen Euro für 80 Prozent der Anteile.
Konkurrenz ist die amerikanische Fondsgesellschaft Certares, die für 60 Prozent etwa 600 Millionen Euro bietet. Certares ist mit Air France-KLM verbandelt, die aber anders als Lufthansa zumindest vorerst nicht als Aktionärin einsteigen will. Angeblich macht Certares dem italienischen Staat sein Angebot auf andere Art schmackhaft, nämlich über mehr Mitspracherechte in der Führung.
Alitalia und die Nachfolgefirma ITA haben seit dem Jahr 2000 nie einen Gewinn erzielt.
Lufthansa hingegen hat vor allem einen besseren Zugang zum italienischen Markt im Visier, auch wenn ITA im Europageschäft angesichts der dort dominierenden Billiganbieter wie Ryanair nur eine marginale Rolle spielt. Die Lufthansa will möglichst wenig Staatseinfluss, aber sehr gerne den Konzern vergrössern, zu dem die Swiss, Austrian und Brussels Airlines gehören.
Alitalia und ihre Erbin ITA haben seit dem Jahr 2000 nie einen Gewinn erzielt. «ITA hat in achteinhalb Monaten knapp 500 Millionen Euro verloren, und ohne einen starken Partner hat sie keine Überlebenschance», sagt der Mailänder Luftfahrtexperte Andrea Giuricin. Das Verkaufsverfahren müsse dringend abgeschlossen werden.
Lufthansa hat genug andere Baustellen
ITA Airways rennt nun die Zeit davon. Bei Lufthansa und MSC blickt man dem Antritt einer neuen Regierung, die ihnen dezidiert feindlich gesinnt ist, besorgt entgegen. Sie fragen sich vor allem, was eine Vereinbarung mit der Draghi-Regierung überhaupt wert ist, wenn die Fratelli d'Italia schon in ein paar Wochen alles wieder über den Haufen werfen. «Es wäre eine Katastrophe, wenn die Käufer abspringen würden», warnt Experte Giuricin.
Dem Genfer Reeder Aponte wäre so ein Schritt zuzutrauen, heisst es in der Branche. Und auch die Lufthansa hat eigentlich genügend interne Baustellen, um das Management voll auszulasten. ITA Airways wäre selbst in gutem Zustand nur ein weiteres Anhängsel, aber kein Muss. Die Finanzlage der ITA wird aber mit jedem Tag schlechter und damit der Appetit der Lufthansa geringer.
Brüssel macht Druck
Es gibt allerdings auch Gründe für die Annahme, dass die Italiener ihre Chance diesmal vielleicht doch nicht verspielen. Erstmals haben sich die einflussreichen Gewerkschaften auf die Seite einer verkaufswilligen Regierung geschlagen. Ausserdem ist das Wählerinteresse am Schicksal der nationalen Airline erlahmt. 2008 beschäftigte Alitalia noch 20’000 Menschen, bei ITA arbeiten heute nur noch 3000.
Auch die italienischen Verpflichtungen gegenüber der EU-Kommission sprechen für einen Vollzug der Privatisierung. Brüssel genehmigte Rom vor einem Jahr eine 1,3 Milliarden Euro hohe Starthilfe für ITA. Die Bedingung war, dass der Staat die Airline bis Ende 2022 verkauft. Giorgia Meloni versucht nun mit allen Mitteln, Italiens europäischen Partnern und den Finanzmärkten die Angst vor einer Rechtsregierung unter postfaschistischer Führung zu nehmen. Sich in Brüssel gleich ein EU-Strafverfahren einzuhandeln, wäre ihrem Bemühen nicht förderlich.
Guido Crosetto, Melonis einflussreicher Mann für Wirtschaftsfragen, gab mit einem Tweet einen interessanten Beitrag zur Diskussion: «Wir können es uns nicht leisten, die ITA-Entscheidung noch länger aufzuschieben. Im September werden wir schon genug andere Probleme haben.»
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