Bürgerkrieg in LibyenGeneral Haftar verwirrt Freund und Feind
Der Warlord kündigt das UNO-Abkommen auf und irritiert sogar seine Unterstützer wie Russland. Damit sinken die Chancen auf eine politische Lösung.

Für politische Ankündigungen nutzt Khalifa Haftar gern das Mittel der Fernsehansprache – ganz so, als wäre er bereits ein Staatsmann und kein Warlord, der mit einer zusammengewürfelten Armee versucht, die Macht zu erobern. So auch am Montagabend: Da trat der selbst ernannte Generalfeldmarschall vor eine holzvertäfelte Wand mit goldenen Kalligrafien – und rief sich zum Machthaber über ganz Libyen aus.
Das von den Vereinten Nationen im Jahr 2015 vermittelte Abkommen zur Machtteilung in dem Bürgerkriegsland und zur Errichtung einer Regierung der nationalen Einheit sei «eine Sache der Vergangenheit», sagte Haftar. Es habe das Land zerstört. Seine Libysche Nationalarmee sei stolz, nun die historische Aufgabe zu übernehmen, das Land zu führen.
Haftar gegen Verhandlungslösung
Auch wenn seine Ansprache viele Fragezeichen hinterliess, hat der 76-jährige Haftar zumindest in einem Punkt Klarheit geschaffen: Eine Verhandlungslösung mit dem von der UNO eingesetzten Premierminister Libyens, Fayez al-Sarraj, wird es mit ihm nicht geben. Dass Haftar eine solche gar nicht anstrebt, sondern die ganze Macht will, war zwar schon seit Jahren ein offenes Geheimnis. Doch während seine Milizen am Boden versuchten, Fakten zu schaffen, liess sich Haftar immer wieder zu internationalen Konferenzen und Verhandlungen bitten.
Dass Haftar diese Doppelstrategie über so lange Zeit spielen konnte, liegt vor allem an der internationalen Unterstützung, die er trotz aller Embargos bis heute erfährt. Frankreich und Ägypten haben sich mehr oder weniger offen auf seine Seite geschlagen. Zu Geländegewinnen verhalfen dem General vor allem aber Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate. Moskau hofft, durch Haftar einen weiteren Staat im Nahen Osten in seine Einflusssphäre zu ziehen. Und die VAE sehen in Haftar einen Garanten dafür, dass die verhassten Muslimbrüder keine Macht in Libyen gewinnen.
Kreml beharrt auf politischer Lösung
Trotzdem war Haftar zuletzt in die Defensive geraten: Nachdem er aus dem Osten des Landes kommend grosse Teile Libyens erobert hatte und Tripolis belagerte, erhöhten auch die Unterstützer seines Gegners ihr Engagement. Die Türkei, die sich als engste Verbündete von Premier Sarraj gibt, schickte Drohnen und wohl auch Söldner aus den Gebieten Syriens. So verlor Haftar im April einige Städte – vielleicht wollte er diese Schmach nun mit seiner pompösen Ankündigung überdecken.
«Wir haben vor Ort eine Pattsituation», sagte die UNO-Sonderbeauftragte für Libyen, Stephanie Williams. Immer wenn eine Seite Fortschritte erziele, komme ein ausländischer Unterstützer. Dass Haftar gemäss der Logik aber auf ein steigendes Engagement Russlands zählen kann, scheint derzeit nicht gegeben: Der Kreml betonte, dass es «keine Alternativen» dazu gebe, Libyen durch einen politischen Prozess zu befrieden. Seit dem gewaltsamen Sturz von Muammar al-Ghadhafi 2011 herrscht Chaos in Libyen.
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