Spionageskandal in DänemarkGeheimdienstchef sitzt hinter Gittern
Lars Findsen ist Dänemarks bekanntester Spion. Wegen Geheimnisverrats ist er festgenommen worden.

Dänemark reibt sich die Augen: Der Staat hat den amtierenden Geheimdienstchef Lars Findsen wegen angeblichen Geheimnisverrats hinter Gitter gebracht. Man müsse sich schon stark in den Arm kneifen, schreibt die konservative Zeitung «Jyllands-Posten», um sich zu vergewissern, dass das Realität sei «und nicht ein schlechter Spionagethriller, der hier in mehreren Kapiteln aufgeführt wird».
«Zum ersten Mal in der neueren Geschichte nimmt ein westliches Land seinen Geheimdienstchef fest», schrieb die liberale Zeitung «Politiken». «Früher passierte das nur in Ländern wie Kasachstan oder Venezuela.»
Lars Findsen ist der bekannteste Spion Dänemarks. Der 57-Jährige leitete sowohl den Inlandsdienst PET als auch zuletzt den Forsvarets Efterretningstjeneste, kurz FE: Dänemarks Militärnachrichtendienst, auch zuständig für die Auslandsaufklärung.
Bei Geheimnisverrat drohen bis zu zwölf Jahre Haft
Zwei Jahrzehnte lang durfte Findsen die tiefsten Geheimnisse Dänemarks hüten. Er sass in den engsten Sicherheitszirkeln von sechs Regierungen. Dann wurde er festgenommen, am Flughafen Kopenhagen. Die Festnahme fand am 9. Dezember statt, wurde aber erst diese Woche öffentlich. Die Staatsanwaltschaft wirft Findsen vor, gegen Paragraf 109 des Strafgesetzbuches verstossen zu haben, der behandelt den Verrat streng geheimer Informationen zum Nachteil der Sicherheit Dänemarks. Darauf stehen bis zu zwölf Jahre Haft.
Findsen ist inzwischen in Kopenhagen dem Untersuchungsrichter vorgeführt worden. Er plädierte auf nicht schuldig und sagte in Richtung der Medienbank: «Das ist völlig verrückt, damit dürfen Sie mich gerne zitieren.»
Was dann eines der wenigen Zitate und Details der Affäre war, die tatsächlich ihren Weg in die Medien fanden. Ansonsten ist bislang nur wenig über die Hintergründe der Festnahme bekannt, auch deshalb, weil den Journalisten, die vertrauliche Informationen veröffentlichen, selbst Haftstrafen drohen.
Es geht um Enthüllungsgeschichten von Medien zulasten der dänischen Regierung.
Tatsächlich steht das Verhältnis zwischen Geheimdiensten und Medien im Zentrum des Falles: Spionagechef Findsen wird der Prozess nicht etwa deshalb gemacht, weil er seine Geheimnisse fremden Mächten verraten hätte. Er soll vielmehr geheime Informationen an dänische Medien weitergeleitet haben.
Wenn die Spekulationen der Medien korrekt sind, dann handelt es sich bei den in Rede stehenden Leaks durchgehend um Fälle, die zu Enthüllungsgeschichten führten, die die dänische Regierung in schlechtem Licht dastehen liessen.
Eine Geschichte drehte sich etwa um den Dänen Ahmed Samsam, der in Spanien als vermeintlicher islamistischer Terrorist verurteilt wurde. Tatsächlich war Samsam aber offenbar ein bezahlter Informant, der von Dänemarks Geheimdiensten als Spion nach Syrien geschickt worden war – eine Information, die die dänische Regierung den spanischen Behörden wohl vorenthielt.
Skandal um Zusammenarbeit mit NSA
Die wohl gewichtigsten Enthüllungen der letzten zwei Jahre aber betrafen Lars Findsens Auslandsgeheimdienst FE. Sie führten zu seiner vorübergehenden Suspendierung. 2019 wurde bekannt, dass der FE offenbar illegal auch dänische Staatsbürger im Ausland belauscht hatte. Später wurde eine geheime Zusammenarbeit zwischen dem FE und dem amerikanischen Überwachungsdienst NSA bekannt. (Lesen Sie zum Thema NSA auch den Artikel «Späte Genugtuung für Edward Snowden».)
Dänemark erlaubte der NSA offenbar das Abzapfen von Daten aus Seekabeln, die durch dänische Gewässer verliefen. Dabei sollen ausländische Politiker abgehört worden sein. Das Bekanntwerden dieser Kooperation schlug grosse Wellen – viele Dänen fürchteten dabei weniger die Empörung der betroffenen Partnerländer als die der US-Dienste. Die grosse Angst: NSA und CIA könnten dem Land in der Folge ihr Vertrauen entziehen. (Lesen Sie zum Abhörskandal in Dänemark den Kommentar «Geheimdienst ausser Kontrolle».)
In dieser Affäre werde es nur Verlierer geben, kommentiert die Zeitung «Politiken».
Es ist eine Ironie des Falles, dass Lars Findsen sowohl als PET- als auch als FE-Chef Reformen zugunsten von mehr Transparenz der Geheimdienste anstiess. Er war ein gern gesehener Gesprächspartner bei Redaktionen.
Hat er dabei tatsächlich geheime Interna verraten, aus Frust über die sich wegduckende Regierung, wie manche nun vermuten? Oder wird er nur zum Sündenbock in einem «Machtspiel», wie der Geheimdienstexperte und ehemalige Mitarbeiter Findsens Hans Jorgen Bonnichsen glaubt? Er sagt, hier werde «mit Kanonen auf Spatzen geschossen».
Auch wenn man den Ausgang der Affäre noch nicht kenne, schreibt die Zeitung «Politiken» in einem Leitartikel, sei jetzt schon klar, dass es nur Verlierer geben könne: Entweder hatte das Land einen Spionagechef, der die Sicherheit des eigenen Landes untergrub. «Oder aber der Staat zerstört mit einer unbegründeten Anklage seine eigenen Geheimdienste.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.