Für ihn verlegte die Uefa ihren Sitz
Hans Bangerter aus Bolligen war der erste hauptamtliche Generalsekretär der Uefa. Er initiierte den «schönsten Pokal der Welt», erlebte eine der grössten Tragödien der Fussballgeschichte – und ist einer der Protagonisten in einem neuen Buch.

«My job was my hobby.» Wenn Hans Bangerter erzählt, streut er ins Berndeutsche ab und zu einen englischen Satz ein. So spürt man bald: Er ist ein Weltbürger. Sein Job, der zugleich sein Hobby war, führte ihn auf alle Kontinente. In arme wie reiche Länder, die aber alle einen gemeinsamen Nenner haben: den Fussball.
Hans Bangerter ist 92-jährig und wohnt mit seiner Frau in einem grosszügigen Haus am Bolliger Südhang. Auf dem blauen Sofa im Wohnzimmer erzählt er seine Geschichte. Wie er im Seeland aufwuchs und als Schüler den FC Studen Junioren gründete. «Dort war ich alles auf einmal: Präsident, Sekretär, Kassier, Coach und Torhüter.»
Nach der Schule und dem Studium am kantonalen Technikum in Biel liess er sich auf Wunsch seiner Eltern zum Postbeamten ausbilden. Ein begehrter Job zu dieser Zeit, doch Hans Bangerters Welt war es nicht. Er wechselte an die Eidgenössische Turn- und Sportschule, wo er dank seiner Sprachkenntnisse die ausländischen Gäste betreute. So lernte er Sir Stanley Rous kennen, den damaligen Präsidenten des Fussballweltverbandes Fifa. «Er merkte, dass ich etwas vom Fussball verstehe» – und so berief er Bangerter 1953 zum stellvertretenden Fifa-Generalsekretär.
So spiele das Leben, sagt Hans Bangerter. «Such is life.»
Der Pokal
Der junge Seeländer machte sich rasch einen Namen. Als der europäische Fussballverband Uefa 1960 einen hauptamtlichen Generalsekretär suchte, war er jedenfalls der Wunschkandidat. «Ich sagte zu, aber nur unter der Bedingung, dass ich nicht nach Paris zügeln muss.» Also verlegte die Uefa ihren Hauptsitz kurzerhand von Paris nach Bern.
Von 1960 bis zu seiner Pensionierung 1988 leitete Hans Bangerter das Tagesgeschäft der Uefa. Er wirkte bei der Organisation der Europameisterschaften und Klubwettbewerbe mit. Reiste an Kongresse. Traf Berühmtheiten wie Lady Diana oder Papst Johannes Paul II. Mitte der 1960er-Jahre machte er sich zudem auf die Suche nach einem neuen Pokal für den damaligen Meistercup, die heutige Champions League. In Zusammenarbeit mit dem Berner Goldschmied Jürg Stadelmann entstand eine Silbertrophäe von zeitloser Eleganz. Bangerter hat noch heute eine Riesenfreude daran. «Für mich ist es der schönste Pokal der Welt», sagt er.
Als Uefa-Generalsekretär erlebte Hans Bangerter aber auch «die grösste Katastrophe meines Lebens». Den Meistercup-Final 1985 zwischen Juventus Turin und Liverpool im Heysel-Stadion von Brüssel. Er erinnert sich noch genau an diesen Tag. Schon am Mittag habe er gesehen, wie auf der Brüsseler Grande Place alkoholisierte englische Fans randalierten.
Die Tragödie
«Ich sagte zum Bürgermeister: Ihr müsst mehr Polizei aufbieten», erzählt Hans Bangerter. Der Bürgermeister aber habe abgewinkt, habe erklärt, das Heysel-Stadion sei so sicher wie ein Bunker. Ein fataler Irrtum: Vor Spielbeginn kam es im Stadion zu Krawallen, englische Hooligans hatten die temporäre Abschrankung zwischen den Anhängern der beiden Klubs niedergerissen und die italienischen Fans angegriffen. Eine Mauer stürzte ein, 39 Menschen starben. Am nächsten Tag besuchte Hans Bangerter das Leichenschauhaus. «Dieses Bild, das können Sie sich nicht vorstellen», sagt er. Seine Augen füllen sich mit Tränen.
«Ich sagte zu, aber nur unter der Bedingung, dass ich nicht nach Paris zügeln muss.»
Als offizieller Uefa-Vertreter musste sich auch Hans Bangerter wegen der Heysel-Tragödie vor Gericht in Brüssel verantworten. Im Strafprozess wurde er freigesprochen, später im Zivilprozess erhielt er drei Monate bedingt. «Unschuldig verurteilt!», entfährt es Ehefrau Rosemarie Bangerter, die neben ihrem Mann auf dem Sofa sitzt. Zur Verurteilung sei es nur gekommen, damit die Angehörigen von der Uefa Genugtuung einfordern konnten.

Das Leben
Rosemarie ist Hans Bangerters zweite Frau. Die erste, mit der er 63 Jahre verheiratet war, starb 2011. Zusammengezählt haben Hans und Rosemarie Bangerter fünf Kinder, zwölf Grosskinder und zwei Urgrosskinder. Das Ehepaar geniesst das Leben, bis vor kurzem hat Hans Bangerter sogar noch regelmässig Golf gespielt. Wegen des Fussgelenks geht das heute nicht mehr. Ansonsten fühlt er sich fit. Im Winter reisen Bangerters jeweils für einige Zeit nach Südafrika, Australien oder sonst wohin an die Wärme. Sie werden an jeden Champions-League-Final, jede Welt- und Europameisterschaft eingeladen. Vielfach nehmen sie die Einladungen auch an.
In Bolligen dagegen ist Hans Bangerter kaum öffentlich aufgetreten. Er machte weder in politischen Gremien noch in Vereinen mit. «Ich war halt immer unterwegs», sagt er. Umso mehr freut ihn, dass er im neuen Buch «Persönlichkeiten der Einwohnergemeinde Bolligen» (siehe Kasten) porträtiert wird. «Das empfinde ich als Ehre.» Dann hält er einen Moment lang inne. Das Leben, sagt er schliesslich, habe es gut mit ihm gemeint. «Life has been good to me.»