Wortführer gegen die ApartheidFriedensnobelpreisträger Desmond Tutu ist tot
Südafrika trauert um eine seiner grossen Leitfiguren. Der frühere Erzbischof Desmond Tutu ist im Alter von 90 Jahren gestorben.

Der südafrikanische Anti-Apartheid-Kämpfer und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu ist tot. Der emeritierte Erzbischof starb im Alter von 90 Jahren, wie Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa am Sonntag bekannt gab. Er drücke «im Namen aller Südafrikaner seine tiefe Trauer über den Tod» Tutus aus, erklärte der Staatschef.
Tutu galt auch im hohen Alter noch als die moralische Stimme seines Landes. Zuletzt trat der als heiter und energetisch bekannte Friedensnobelpreisträger mit dem gewinnenden Lächeln jedoch nur noch selten in der Öffentlichkeit auf. Im Mai zeigte er sich seinen Landsleuten, als er gemeinsam mit seiner Frau Leah die Covid-Impfung erhielt. Im Rollstuhl sitzend winkte er in die Kameras – ein Bild, das nur schwer mit dem lebhaften Mann zu vereinbaren war, der einst die Welt mit seiner scharfen Kritik an Südafrikas Apartheid-Regimes in seinen Bann zog. Zuletzt war er bei den Feierlichkeiten zu seinem 90. Geburtstag in der Öffentlichkeit zu sehen.

Tutu, am 7. Oktober 1931 in Klerksdorp nahe Johannesburg geboren, wurde im Alter von 30 Jahren zum anglikanischen Priester geweiht, nachdem er zunächst als Lehrer gearbeitet und unter anderem am Londoner King’s College Theologie studiert hatte. 1984 bekam Desmond Tutu den Friedensnobelpreis für seine Opposition gegen das Apartheid-Regime in Südafrika verliehen. Im selben Jahr wurde er der erste schwarze Bischof von Johannesburg und forderte ein Embargo gegen die Regierung der weissen Minderheit.
Einen seiner wichtigsten Aufträge erhielt Tutu nach dem Ende der Apartheid: Ab 1996 führte er die Wahrheits- und Versöhnungskommission an, die öffentliche Anhörungen zu den Gräueltaten während der Apartheid abhielt. Der Bischof wurde in dieser Zeit zu einer Stimme der Versöhnung.
Millionen sahen am TV-Schirm Tutu in Tränen, als vor dem Gremium Apartheidopfer von ihren Leiden berichteten. Mehr als 20 000 Opfer, deren Angehörige und sonstige Zeugen sagten vor der Kommission aus, 3500 früheren Tätern wurde Verzicht auf Strafverfolgung gewährt.
Viele seiner schwarzen Mitbürger, vor allem die Familien der Opfer, fanden dies zu nachsichtig. So wurde zum Beispiel Mördern vergeben, solange sie zum öffentlichen Bekenntnis bereit waren. Doch Tutu war zutiefst überzeugt, dass eine Abrechnung seinem Land nur schaden könnte. Vergebung habe weniger mit christlichen Grundsätzen als mit Realpolitik zu tun, sagte er einmal. Tutu kämpfte für die Vision einer «Regenbogennation», in der Menschen aller Hautfarben und Ethnien friedlich zusammenleben.

Aus der Öffentlichkeit zog er sich nach der Fussball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika immer mehr zurück. Obwohl er zunehmend zur Behandlung ins Krankenhaus musste, meldete er sich aber bei ihm ungerecht erscheinenden Ereignissen noch immer stets lautstark zu Wort.
Einen seiner letzten öffentlichen Auftritte hatte er Mitte September 2019, als ihm der britische Prinz Harry bei einer Afrikareise seine kleine Familie vorstellte und der bereits sehr gebrechlich wirkende Tutu dem kleinen Archie einen Kuss auf die Stirn hauchte.

Tutu hinterlässt seine Frau Leah, einen Sohn und drei Töchter. Seine letzten 24 Stunden würde er gerne mit seiner Familie verbringen, hatte er 2014 dem Magazin «Cicero» gesagt – und mit etwas Augenzwinkern hinzugefügt: «Ich werde ihnen sagen, dass sie auf sich aufpassen und füreinander sorgen sollen – besonders für ihre Mutter; andernfalls werde ich zurückkehren und sie heimsuchen!»
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