
Es sind gute Zeiten, die auf uns zukommen. Wir dürfen immer länger leben. Die Zahl der 100-Jährigen verdoppelt sich alle zehn Jahre, und 2050 wird es in der Schweiz 1,1 Millionen Frauen und Männer geben, die über 80 sind. Schön ist auch, dass wir nicht nur älter werden, sondern auch länger gesund bleiben. Die Phase des Lebens, die man vielleicht lieber nicht erleben möchte, sind und bleiben die letzten zwei Jahre vor dem Tod. Im Durchschnitt fällt diese oft weniger schön aus, hoffentlich sind wir aber auch künftig alle ein wenig überdurchschnittlich.
Natürlich wird sich in den nächsten 30 Jahren die Alterspyramide in der Schweiz massiv verändern, und das geht nicht einfach, ohne dass sich vieles ändern muss. Gemäss allen Szenarien der Statistiker auf nationaler und kantonaler Ebene verbreitert sich die Spitze der Alterspyramide immer mehr, da die Babyboom-Generationen – also jene vielen, die kurz vor dem Pillenknick in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts geboren wurden – in die höheren Altersklassen eintreten. Die Folge: Der Anteil der Personen, die älter als 65 Jahre alt sind, steigt schneller an als die Anteile der anderen Altersklassen. 2,67 Millionen Menschen werden dies 2050 sein, sagen die Statistiker.
Die Schweiz ist nicht allein mit dieser Entwicklung. In Europa verläuft sie überall gleich, in Asien und in Südamerika ähnlich. Nur gerade im Afrika südlich der Sahara wächst die Bevölkerung noch massiv. Daraus ergeben sich gewaltige Herausforderungen. In unserem Land reicht es wohl bald einmal nicht mehr, auszurechnen, ob die AHV ein paar Milliarden Franken mehr braucht, wie die FDP es so gerne tut, um dann immer zum selben Schluss zu kommen, wir müssen länger arbeiten. Es reicht auch nicht, wenn sich die Politikerinnen und Politiker der SP gegen jede Rentenreform wehren. Dreissig Jahre bezahlte Ferien auf höchstem Niveau für alle, garantiert vom Staat, das ist auch in der reichen Schweiz unbezahlbar.
Es gilt auch Tabus zu benennen: Dass es bisher geklappt hat und es in der Schweiz keine breite Altersarmut gibt, liegt nur daran, dass die massive Einwanderung aus unseren Nachbarländern genügend junge Arbeitskräfte in die Schweiz gebracht hat, die unser Rentensystem finanzieren. Das wird in Zukunft kaum möglich sein. Erstens, weil der Arbeitskräftenachwuchs praktisch nur noch aus Afrika kommen kann und von dort nicht genug Fachkräfte kommen können, die genügend ausgebildet sind, um in unserer Wirtschaft produktiv zu sein. Zweitens, weil ohnehin bald schon 10 Millionen Menschen in der Schweiz leben werden, und viel mehr sollten es sinnvollerweise nicht sein.
Es braucht ein viel grösseres Freizeitangebot, das sich an die Älteren richtet.
Es braucht einen ganz anderen Ansatz, wie wir mit dem Thema der Pensionierung umgehen. Nicht nur wegen des Geldes, sondern auch weil jahrelange Ferien ganz einfach langweilig werden. Es braucht sinnvolle Jobs für Frauen und Männer über 65, die gerne noch ein wenig weiter arbeiten wollen, und auch für jene, die realistischerweise weiter arbeiten müssen, wenn sie ihren Lebensstandard halten wollen.
Was es auch braucht, ist ein viel grösseres Freizeitangebot, das sich an die Älteren richtet. Man mag spotten über Florida und Mallorca, doch dort probiert man wenigstens aus, wie man mit der alternden Freizeit-Gesellschaft sinnvoll umgehen kann. Bei uns wird immer noch höchstens darüber diskutiert, ob man die Spitex ausbauen soll. Das sind nicht wirklich die guten Zeiten, wie ich sie mir vorstelle.
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Editorial zur alternden Gesellschaft – Freuen wir uns auf gute Zeiten
Werden wir alle 100 Jahre alt? Wohl nicht, aber bald einmal ist ein Viertel der Schweizerinnen und Schweizer über 65. Die können nicht alle für 30 Jahre in die Ferien.