Flüchtlinge werden Lehrlinge
Es stehen 70 Ausbildungsplätze bereit: Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt soll die Sozialhilfe im Kanton Bern entlasten.

Gulagha Amiri hat die nötigen Hürden gemeistert: Das Vorstellungsgespräch bei der Migros Aare in Schönbühl verlief gut, und auch während der Schnupperwoche in der Filiale Köniz konnte der junge Mann überzeugen. Nun hat er einen Vertrag mit der Migros in der Tasche. Ab August wird der 21-Jährige drei Tage in der Woche in der Könizer Filiale arbeiten und zwei Tage die Schulbank drücken. Zu seinen Unterrichtsfächern zählen unter anderen Sprache und Berufskunde. Gulagha Amiri gehört damit zu jenen 70 jungen Menschen, die im Kanton Bern im August eine Vorlehre Integration beginnen können.
Diese Vorlehre dauert ein Jahr und richtet sich an anerkannte Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen zwischen 18 und 35 Jahren. «Ziel ist, dass 60 Prozent nach dem Abschluss der Vorlehre eine Lehre beginnen können», sagt Projektleiterin Simone Grossenbacher von der Erziehungsdirektion des Kantons Bern. Bei Vorprojekten hat sich gezeigt, wie schwierig es für Flüchtlinge sein kann, nach einem Abschluss eine Anschlusslösung zu finden. Während der Zeit der Vorlehre soll deshalb viel Wert auf die Berufsberatung gelegt werden.
18 Kantone machen mit
Gulagha Amiri macht mit seiner Vorlehre einen Schritt in Richtung Detailhandel. «Die Schnupperwoche in Köniz hat mir sehr gut gefallen», sagt er im Gespräch mit Georgios Bakas, dem Personalverantwortlichen Berufsbildung bei der Migros Aare. Mit ihm hat er bereits das Vorstellungsgespräch geführt. Der Umgang mit Nahrungsmitteln sagt dem jungen Mann zu.
Der Bund unterstützt die Vorlehren Integration, die ab Sommer in 18 Kantonen angeboten werden, mit finanziellen Beiträgen. Wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) am Donnerstag mitteilte, hat es die Verträge mit den Kantonen inzwischen abgeschlossen. Insgesamt zahlt das SEM 46,8 Millionen Franken. Das Geld wird auf vier Jahre und 3600 Ausbildungsplätze verteilt. Das ergibt 13'000 Franken pro Ausbildungsplatz. Die darüber hinausgehenden Kosten übernehmen die jeweiligen Kantone. Der Kanton Bern wird rund 7000 Franken pro Ausbildungsplatz im Kanton beisteuern, man geht von Kosten von insgesamt bis zu 20'000 Franken pro Platz aus.
Weniger von Sozialhilfe abhängig
Die Investition soll sich lohnen: Der Bund unterstützt die Vorlehren, weil er sich erhofft, dass sich Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene rascher in die Arbeitswelt integrieren und damit weniger von der Sozialhilfe abhängig sind. Gemäss gestriger Mitteilung wird das Projekt während der nächsten vier Jahre evaluiert und der Bundesrat voraussichtlich Ende 2019 entscheiden, ob auch nach 2021 Geld gesprochen wird.
Zu diesem Zeitpunkt wird Gulagha Amiri seine Vorlehre längst abgeschlossen haben. Er erzählt in gutem Deutsch, dass er seit zwei Jahren und vier Monaten in der Schweiz lebe. Wie der sportbegeisterte Lernende im weissen Hemd dem Personalverantwortlichen Berufsbildung gegenübersitzt und aus seinem Leben berichtet, kann man ihn sich schon jetzt gut in der Berufswelt vorstellen.
Vermittlungen noch im Gang
Der Kanton Bern hat mit dem SEM einen Vertrag abgeschlossen, der 70 Ausbildungsplätze ab August umfasst. In den Folgejahren werden es 90 und 130 Plätze sein. Für den August sind inzwischen ein Drittel der Vorlehrverträge abgeschlossen, für ein Drittel der Plätze bestehen mündliche Zusagen, und bei einem Drittel seien die Vermittlungen noch im Gang, teilt Projektleiterin Grossenbacher mit. Dem Informationsmaterial des Kantons ist zu entnehmen, dass der Verdienst in der Vorlehre in der Regel 90 Prozent des Lohns im ersten Lehrjahr entsprechen soll.
Die Migros Aare bietet ab Sommer fünf Plätze an, die Auswahlverfahren sind teilweise noch im Gange. Gulagha Amiri und die anderen Lernenden werden in verschiedenen Rayons in den Migros-Filialen arbeiten. Man erachte die Integration als wichtig «in unserer Gesellschaft sowie in unserem Unternehmen», begründet Sprecherin Andrea Bauer die Teilnahme der Migros am Projekt. Ausserdem sei man immer auf der Suche nach motiviertem Nachwuchs. Man gehe davon aus, dass mit einem etwas höheren Aufwand in der Betreuung und Ausbildung zu rechnen sei als bei anderen Vorlehren, welche die Migros ebenfalls anbietet.
Das Mittelschul- und Berufsbildungsamt sucht weiterhin Betriebe – vor allem in den Bereichen Logistik und Innenausbau –, die im Sommer oder in den nächsten Jahren Ausbildungsplätze anbieten. Integrationsvorlehren sind in verschiedenen Bereichen möglich. So werden zum Beispiel auch in der Landwirtschaft Plätze angeboten. Gemäss Angaben des Berner Bauern-Verbands sind derzeit Abklärungen mit zehn jungen Männern aus Eritrea im Gang.
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