Oper «I Capuleti e i Montecchi»Familienfehde in der Einbauküche
Ein Plädoyer für den Belcanto, trotz einiger Regieschwächen: Bei Bühnen Bern ging mit Vincenzo Bellinis «I Capuleti e i Montecchi» die letzte Opernpremiere der Saison über die Bühne.

Der stärkste Moment dieser etwas durchzogenen Opernpremiere kommt kurz vor Schluss: Am Grab der vermeintlich toten Geliebten sitzt Romeo hell angestrahlt einsam auf der dunklen Bühne und singt «Deh! Tu, bell’anima». Eine berückend schöne Romanze, der man kaum anmerkt, dass sie der sizilianische Melodienmeister Vincenzo Bellini (1801–1835) seiner eigenen Oper «Zaira» geklaut und ziemlich zweckentfremdet hat. Das tut hier wenig zur Sache und dürfte den meisten im Stadttheater auch nicht bekannt gewesen sein. Wie sollte es auch, hat doch das Berner Publikum Belcanto-Opern seit Jahrzehnten nur homöopathisch vorgesetzt erhalten – als hätte es die weltweite Renaissance der Stilrichtung nie gegeben, die blutrünstige Geschichten in so überirdisch schöne Kantilenen kleidet. Keiner konnte das besser als eben Bellini, der mit «La Sonnambula» und «Norma» in die Operngeschichte einging. Eine neue Berner «Norma» wurde Opfer der Pandemie, umso dankbarer ist man jetzt für «I Capuleti e i Montecchi». Dass das sonst selten gespielte Werk in dieser Saison schon in Zürich und Biel/Solothurn gegeben wurde, tut der Vorfreude kaum Abbruch.