Experimentell und vorurteilslos
Einmal, ganz am Schluss, gelingt ihr in einem aberwitzigen Dialog zwischen einer Mimi und einem Jakob eine Ehrenrettung der Nase in organischer, sinnlicher, sprachlicher und kulturhistorischer Hinsicht. Ein andermal spricht sie von der Pornografie und den verschiedenen Moden, sie zu verwerfen oder anzuhimmeln, und woanders zeigt sie unter dem Titel «So viel Körper war noch nie», wie das Körperliche in den letzten Jahrzehnten gegenüber dem Geistigen oder Theoretischen immer wichtiger geworden ist. Seit Jahren gehört die in Berlin lebende Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen weit über ihre Wissenschaft, ja weit über die feministischen Kreise hinaus, von denen sie einst hergekommen ist, zu den interessantesten und jedesmal wieder mit Neuem und Überraschendem aufwartenden Essayisten und Vordenkern deutscher Sprache. «Schlimmer machen, schlimmer lachen» heisst der neueste, als Fischer-Taschenbuch 17654 greifbare Band, der auf schöne Weise von jenem experimentellen Denken zeugt, wie es Alexander García Düttmann ihr in seinem Vorwort zubilligt. Höchst bemerkens- und bewundernswert ist auch immer wieder, wie souverän Silvia Bovenschen auch unzeitgemässe oder politisch scheinbar nicht korrekte Meinungen vertritt, wenn die Sachlage es nicht anders zulässt. So nimmt sie im Aufsatz «Warum ist Gründgens so typisch?» den als Hitler-Anhänger diskreditierten Schauspieler und Intendanten gegen seine Diffamierer in Schutz, scheut sich nicht, Klaus Manns «Mephisto» einen schlechten Roman zu nennen und billigt dem unter Hitler in führenden Positionen der deutschen Bühnenkunst wirksamen Intellektuellen Gründgens zu, dass er der Unkultur der Nazis zumindest ästhetisch widersprochen habe. (li) >
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