«Es war richtig, nicht einzugreifen»
Trotz Gegendemo-Verbot sind gestern 800 Personen durch die Stadt Bern gezogen. Sicherheitsdirektor Reto Nause sagt, die Polizei habe verhältnismässig gehandelt.

Herr Nause, am Donnerstag haben Sie die Polizei angewiesen, Gegendemonstrationen zum «Marsch fürs Läbe» zu «unterbinden». Weshalb haben Sie sich für ein so rigoroses Vorgehen entschieden?
Die Signale waren da, dass es zu Konfrontationen kommen würde und es Kreise gibt, die diese auch suchten. Im Übrigen haben wir den zwei Gesuchstellern der Gegendemonstrationen Alternativen angeboten.
Welche?
Die Gegendemonstration hätte zeitlich und räumlich vom «Marsch fürs Läbe» getrennt stattfinden müssen. Eine Demonstration gleichentags ab 19 Uhr wäre möglich gewesen. Doch die Organisatoren wollten darauf nicht eingehen. Deshalb haben wir die Gesuche nicht bewilligt.

Gestern kam es trotz des Verdikts des Gemeinderats zu einem unbewilligten Umzug durch die halbe Stadt. Die Polizei liess die Gegendemo gewähren. Weshalb das Umdenken?
Die Demonstrierenden haben eine Route gewählt, die zunächst stadtauswärts führte. Es gab ausserdem weder Sprayereien noch sonstige Sachbeschädigungen und wir haben ebenfalls keine vermummten Personen in der Kundgebung ausgemacht. Deshalb war es verhältnismässig, dass die Polizei die Kundgebung nicht direkt stoppte.
Die Frage stellt sich tatsächlich: War das riesige Polizeiaufgebot für eine friedliche Gegendemo mit 800 Personen verhältnismässig?
Der gestrige Einsatz war für mich ein Lehrbeispiel für einen verhältnismässigen Einsatz der Polizei. Wir haben die verfassungsmässig garantierte Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit gewährleistet. Ausserdem fanden selbentags nicht nur politische Kundgebungen statt, sondern auch noch ein Fussballspiel, welches das Grossaufgebot der Polizei notwendig machte. Zum gestrigen Tag kann ich eine rundum positive Bilanz ziehen.
Dass die Polizei die Gegendemonstration gewähren liess, hätte auch ins Auge gehen können. Kurz wurde die Situation vor dem Bundesplatz brenzlig, als sich Demonstrierende und Polizei gegenüberstanden. Sind Sie nicht ein zu hohes Risiko eingegangen, den unbewilligten Umzug gewähren zu lassen?
Wir haben die unbewilligte Kundgebung sehr eng begleitet. Deshalb konnte der Zug zum Weiterziehen bewegt werden. Klar, Trillerpfeifen und Hupen waren zu hören. Wir sind aber im Vorfeld davon ausgegangen, dass es zu akustischen Störungen der bewilligten Demonstration auf dem Bundesplatz kommen würde. Aber auch da war es verhältnismässig, nicht einzugreifen, weil die räumliche Distanz zwischen den beiden Kundgebungen gewahrt blieb.
Die Gegendemonstration blieb gestern nun friedlich. Denken Sie darüber nach, in Zukunft parallele Demonstrationen im Sinne einer Deeskalation zuzulassen, statt von vornherein zu «unterbinden»?
Ich sehe keine Veranlassung, eine langjährig bewährte Praxis über den Haufen zu werfen und mehrere Kundgebungen parallel zu bewilligen. Etwas anderes ist es, wie man mit sich spontan formierenden Umzügen am Tag der Kundgebung umgeht. Das muss jeweils vor Ort beurteilt werden. Gestern war es die richtige Entscheidung, nicht einzugreifen. Ein andermal kann die Entscheidung anders ausfallen, wenn beispielsweise Vermummte im Umzug dabei sind oder es zu Sachbeschädigungen kommt.
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