«Es ist wichtig, eine Marke zu kreiere n»
Der Tenniscircuit der Männer erstrahlt im neuen Kleid. Phil Anderton, Marketing Executive Officer der ATP, erklärt, welche Überlegungen hinter den Änderungen stecken und warum die Saison nicht kürzer geworden ist.
Sie haben eine umfangreiche Befragung der Tennisfans durchgeführt. Was mögen die Leute am Männertennis nicht?PHIL ANDERTON: Millionen von Menschen in der ganzen Welt interessieren sich für Tennis, verfolgen das Geschehen aber nur punktuell, weil sie die Struktur des Tennissports nicht verstehen. Zudem sind viele der Meinung, Tennis werde gerade im Fernsehen zu wenig angepriesen, beworben. Die zwei Hauptprobleme sind also die Konfusion über das Wettkampfformat und der zu geringe Bekanntheitsgrad unserer Tour.Und was schätzen die Leute am Tennis besonders?Die Reinheit des hochklassigen Wettkampfs, der an Gladiatorenkämpfe erinnert: Es ist ein Duell Mann gegen Mann, ohne dass Coachs oder Mitspieler eingreifen können. Jenen Fans, die Tennis regelmässig verfolgen, gefällt zudem, dass die Tour global ist und an spektakulären Schauplätzen wie etwa Monte Carlo und Miami Halt macht.Nicht nur Name und Verpackung haben geändert, die Tour ist auch umstrukturiert worden. Warum?Die wichtigsten Turniere sollen in den besten Stadien und zum optimalen Zeitpunkt stattfinden. Dann ging es auch darum, die Spieler weniger zu belasten. Ein Beispiel: Letztes Jahr reisten viele Profis nach dem US Open in den Fernen Osten und danach an die Hallenturniere in Europa. Die Besten flogen dann wieder zurück in den Fernen Osten an den Masters-Cup. 2009 wird das nicht mehr nötig sein. Im Herbst finden gleich mehrere Events in Asien statt, und danach wird die Saison in Europa beendet. Wichtig war uns auch, das Finalturnier nach Europa zu bringen. Das erlaubt es den Fans in Europa, Amerika, Afrika und im Mittleren Osten, die Matches live zu verfolgen.Die Profis beschweren sich seit Jahren, die Pause zwischen zwei Spielzeiten sei zu kurz. Die WTA hat durch die Umstrukturierung der Tour die Saison um einen Monat verkürzt. Weshalb hat die ATP dies nicht geschafft?Wir wollten die Anzahl der Turniere nicht von über 60 auf 40 reduzieren, sondern gewährleisten, dass die Profis genügend Spielgelegenheiten haben und die Fans auf der ganzen Welt Weltklassetennis zu sehen bekommen. Unser Ansatz ist, die besten Events in den Schlüsselmärkten zu platzieren und ein Produkt zu schaffen, das kontinuierlich im Gespräch ist.Weshalb heisst der Männercircuit neu ATP World Tour?Viele Leute verstehen nicht, dass die Spieler an allen Turnieren Punkte sammeln und am Saisonende ein Champion gekrönt wird. Durch den neuen Namen und die verstärkte Markenpolitik kommunizieren wir, dass die Events zwar auf der ganzen Welt stattfinden und für sich wichtig sind, aber zusammengehören und dass es sich um ein einziges Produkt handelt. Es ist wichtig, ja entscheidend, eine starke Marke zu kreieren; man denke etwa an die Uefa-Champions-League oder an die Formel 1. Was wird mit den Turnierkategorien ATP Masters 1000, ATP 500 und ATP 250 bezweckt?Diese Namen zeigen die relative Bedeutung der Turniere auf, weil der Sieger die genannte Anzahl Weltranglistenpunkte erhält. Und sie haben noch einen Vorteil: Zahlen sind in jedem Sprachraum verständlich.Das ändert nichts daran, dass das Rankingsystem äusserst kompliziert geblieben ist.Das stimmt, es ist sicher nicht das einfachste Ranglistensystem in der Welt des Sports. Doch einerseits ist es im Tennis schwieriger als in der Formel 1, weil es viel mehr Wettkämpfe gibt und nicht jeder Spieler jedes Turnier bestreiten kann, anderseits wollten wir allein wegen ihrer historischen Bedeutung die Weltrangliste nicht grundsätzlich verändern. Zudem: Die Fans, das haben sie uns in der Umfrage zu verstehen gegeben, wollen gar nicht genau wissen, welche mathematische Formel hinter einem Sprung von Position 6 auf Platz 4 steht. Eine grosse Vereinfachung ist allerdings, dass wir künftig auf das Race, die Jahresrangliste, verzichten und nur noch ein Ranking publizieren.Weltweit werden Hunderte von Millionen von Franken in Stadien investiert, und das Preisgeld steigt massiv an. Ist das bei der derzeitigen Wirtschaftslage sinnvoll und nötig?Zuvor gab es lange keine Preisgelderhöhung, insofern ist der Anstieg um 35 Prozent sehr positiv. Denn Tennisprofis gehören zu den weltbesten Athleten und sollen auch so bezahlt werden. Bezüglich der Investitionen in Stadien gilt es zu bedenken: Wir gehören nicht nur zum Tennismarkt, sondern auch zur Unterhaltungsindustrie und müssen konkurrenzfähig bleiben.Bereitet Ihnen die Finanzkrise grosse Sorgen?Es ist eine schwierige Zeit, das sind wir uns bewusst. Die ATP-Führung verfolgt die Entwicklung aufmerksam und unterstützt unsere Partner, wenn es nötig ist. Doch grundsätzlich ist die ATP World Tour ein grossartiges Produkt; wir sind in einer guten Verfassung, die schwierige Zeit zu überstehen.Weshalb hat die ATP World Tour im Gegensatz zur WTA-Tour keinen Titelsponsor?Wir haben mehrere starke Partner, die sich weltweit engagieren, aber einen Titelsponsor wollen wir nicht. Uns ist wichtig, Entscheide unbeeinflusst treffen zu können und über eine eigene starke Marke zu verfügen. Wir wollen den Namen der Tour nicht ändern müssen, wenn der Sponsor wechselt.Sind ATP und WTA mehr Konkurrenten oder mehr Partner?ATP und WTA sind unterschiedliche Organisationen mit unterschiedlichen Mitgliedern. Beide wollen Zuschauer und Sponsoren anlocken, also sind sie in erster Linie Konkurrenten. Anderseits profitieren beide, wenn die Tennisindustrie wächst. Insofern kooperieren wir in Bereichen, in denen es sinnvoll ist. Die kombinierten Frauen-Männer-Turniere etwa kommen beim Publikum sehr gut an.Welches ist vermarktungstechnisch die beste Situation: ein dominanter Spieler, ein Duell wie Federer - Nadal oder mehrere um die Nummer 1 kämpfende Spieler?Entscheidend ist, an der Spitze unterschiedliche Typen, Akteure mit unterschiedlichen Charakteren und Spielweisen zu haben – fünf, sechs sind wohl ideal. Insofern ist die Situation mit Nadal, Federer, Djokovic und Murray, alles ganz verschiedene Persönlichkeiten, momentan ausgezeichnet.Wer ist der beste Botschafter im Tennis?Es gibt viele Spieler, die in der Weltrangliste nicht ganz vorne stehen, aber viel tun, um Tennis zu promoten. Ein Beispiel ist der eben zurückgetretene Schwede Jonas Björkman. Besonders hervorheben kann ich die Top 2: Roger Federer ist ultraprofessionell, und zwar auf und neben dem Platz – das kann ich auf Grund meiner Erfahrung im Fussball und Rugby gut beurteilen. Rafael Nadal ist bescheiden und am Boden geblieben, obwohl er schon kurz nach seiner Schulzeit das French Open gewann und immensem Medienrummel ausgesetzt war. Auch er ist ein grossartiger Botschafter fürs Tennis.In Europa gibt es auf Gratiskanälen kaum ATP-Turniere zu sehen. Ist das ein Problem oder Teil einer Strategie?Es geht darum, zwischen genügender Abdeckung und angemessener Entschädigung für die Fernsehrechte die Balance zu finden. Denn das Fernsehen spielt sowohl bei der Promotion als auch bei der Finanzierung des Sports eine wichtige Rolle. Wir haben Experten, die sich dieser Thematik annehmen.Das Schweizer Fernsehen zeigt zahlreiche Matches von Federer, doch ansonsten ist im deutschsprachigen Raum ausserhalb der Grand-Slam-Events kaum Männertennis zu sehen, nicht einmal auf Pay-TV-Sendern.Ich kann Ihnen dazu nichts Genaues sagen, weil ich in diese Entscheidungen nicht direkt involviert bin. Meine Aufgabe ist es, die ATP World Tour zu vermarkten. Greifen unsere Massnahmen, erhöht sich die Nachfrage des Publikums, und mehr TV-Anstalten wollen Übertragungsrechte kaufen und Tennis zeigen. Denn eines ist klar: Eine kontinuierliche Fernsehpräsenz ist sehr wünschenswert. Interview: Adrian Ruch>
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