«Es gibt viele Studien und viele Zahlen»
Der Regierungsrat des Kantons Bern fordert eine Reduktion der Sozialhilfeausgaben. Gemäss Pierre Alain Schnegg soll das neue Modell bessere Resultate der Sozialhilfequoten erzielen.

Herr Schnegg, Sie wollen den Grundbedarf bei der Sozialhilfe um zehn Prozent und mehr senken. Wieso ist das nötig?
Zuallererst setzen wir damit eine Motion aus dem Parlament um. Diese forderte eine Reduktion der Sozialhilfeausgaben um 10 Prozent. Das ist nötig, weil die Sozialausgaben in den letzten Jahren stetig zunahmen – im Kanton Bern gar überdurchschnittlich. Zudem liegt auch die Sozialhilfequote im Kanton Bern weit über dem schweizerischen Schnitt. Mit den nun vorgeschlagenen gezielten Anreizen soll die Erwerbsarbeit gegenüber dem Bezug von Sozialhilfe wieder attraktiver werden.
Das heisst, Sie erhoffen sich durch die Einsparungen auch eine nachhaltige Senkung der Sozialhilfequote?
Ja. Ich bin der Meinung, dass wir mit dem vorgeschlagenen Mix bessere Resultate erzielen werden als mit dem heutigen System.
Basiert diese Einschätzung auf wissenschaftlichen Erkenntnissen oder handelt es sich dabei eher um ein Bauchgefühl?
Es gibt viele Studien und es gibt viele Zahlen. Wir haben mehrere Modelle studiert und verschiedene Lösungsmöglichkeiten analysiert. Schliesslich haben wir uns für ein System entschieden, dass Geld spart und uns die Möglichkeit gibt, mittels Einkommensfreibetrag und Integrationszulage Anreize zu finanzieren. Zudem besticht unser Modell durch Einfachheit. Frühere Reformvorschläge wurden kritisiert, weil sie zu komplex waren und grossen administrativen Aufwand nach sich gezogen hätten. Das ist bei unserem Modell nicht der Fall.
Experten sagen, dass sich die Kürzungen eher lähmend als aktivierend auf Sozialhilfeempfänger auswirken.
Es fällt mir nicht leicht, solche Aussagen nachzuvollziehen. Wir haben bewusst die Integrationszulagen ausgebaut, um Anreize zu schaffen. Eine integrationswillige vierköpfige Familie hat nach der Reform ungefähr gleich viel Geld wie vorher. Der Spareffekt kommt durch Leute zustande, die sich nicht integrieren wollen. Etwa, weil sie unsere Sprache nicht lernen. Die früheren Vorschläge zur Umsetzung der Motion hätten hingegen genau diejenigen getroffen, welche Engagement zeigen. Für mich war klar: Ich will sicher nicht bei den Integrationszulagen sparen.
Das Problem liegt mehrheitlich nicht beim fehlenden Willen der Sozialhilfebezüger, sondern bei den fehlenden Arbeitsstellen für Niedrigqualifizierte.
Das zeigt, wie wichtig es ist, dass sich die Leute gut ausbilden und weiter qualifizieren. Dafür müssen wir Anreize schaffen. Der Verbleib in der Sozialhilfe muss dagegen weniger attraktiv werden. Zudem müssen wir daran arbeiten, dass künftig mehr Integrationsarbeitsplätze zur Verfügung stehen. Ideen dafür liegen bereits auf dem Tisch. Spruchreif ist aber noch nichts.
Eine Studie aus Deutschland zeigt auf, dass bei einer Senkung der Sozialleistungen auch die Löhne unter Druck geraten. Rechnen Sie mit einer solchen Entwicklung?
Nein. Jedenfalls nicht mit den Kürzungen, die wir vorsehen. Der Impakt ist gar nicht so gross, wie man meinen könnte. Zudem gibt es auch im Niedriglohnbereich viele Branchen, in denen ein Gesamtarbeitsvertrag tiefe Löhne verbietet.
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