«Es gibt keine Null-Fehler-Kultur»
Jede Operation birgt gewisse Risiken, sagt Thomas Straubhaar, Präsident eines Vereins zur Qualitätssicherung in Spitälern. Jetzt will er die Infektionsrate in Spitälern messen – und veröffentlichen.
«Bund»:Herr Straubhaar, ist die Qualität in den Schweizer Spitälern tatsächlich schlechter geworden, wie dies Herr Zeltner vom Bundesamt für Gesundheit behauptet?
Thomas Straubhaar:Es gibt keine Anzeichen, dass die Qualität in den Schweizer Spitälern schlechter geworden ist. In einem derart komplexen System braucht es aber heute grössere Anstrengungen, was die Leistungsziele und die effektiv erbrachten Leistungen in den Spitälern betrifft. Wir sind überzeugt, dass der Qualitätsgedanke expliziter in das System Spital gebracht werden muss. Jede Person will eine gute Arbeit erbringen. Dies reicht heute aber nicht mehr. Die Qualität muss nicht nur gemessen, sondern wenn nötig auch verbessert und korrigiert werden. Das ist der Kerngedanke unseres Vereins.
In einzelnen Spitälern sind jüngst grössere Fehler passiert. Kommt es zu häufig zu Komplikationen?
Es gibt keine Operation, keinen Eingriff, der nicht ein Gefahrenpotenzial hat. Wo Menschen arbeiten, entstehen auch Fehler. Damit müssen wir immer wieder rechnen und uns dessen auch bewusst sein. Die beste Prävention wäre es, gar keinen Eingriff zu machen. Das kann doch nicht das Ziel sein. Es ist naiv, wenn man das Gefühl hat, man könne in Spitälern eine Null-Fehler-Kultur einführen. Das gibt es nicht. Man muss aber offen sein, die Fehler zu eruieren und zu korrigieren.
Wie wollen Sie konkret vorgehen?
Zuerst geben wir schweizweit Qualitätsmessungen vor, mit denen sich die Spitäler vergleichen können. Wir vergeben die Messungen an Externe. In diesem Jahr wird einerseits die Patientenzufriedenheit mit einem Kurzfragebogen gemessen und anderseits die post-operative Wundinfektionsmessung bei acht gängigen Eingriffen durchgeführt. Letztere wird durch Swissnoso, dem Verein von Hygienefachleuten in Spitälern, durchgeführt.
Das tönt nach einem beträchtlichen Aufwand.
Qualitätsmessungen sind nie gratis zu haben. Wir versuchen aus bestehenden Statistiken möglichst viele Ergebnisse zu generieren. Die Infektionszahlen können wir daraus aber nicht ableiten. Und die Patientenzufriedenheit ist ein Gebot der Fairness. Die Spitäler müssen wissen, was die Patienten denken.
Stehen die Spitäler dahinter?
Hinter dem Verein stehen einerseits die Leistungserbringer wie der Spitalverband H+ und einige Spitäler und anderseits die Finanzierer, bestehend aus Santésuisse, dem Branchenverband der Krankenversicherer, den Unfallversicherern und den meisten Kantonen.
Was machen Sie anders als bei bisherigen Messungen?
Einzelne Messungen gab es bereits früher. Bisher wurde in der Regel aber strikte darauf geachtet, dass die Daten nicht veröffentlicht werden. Wir haben klar gesagt, dass die gemessenen Daten auch veröffentlicht werden. Wir führen das erste Mal gesamtschweizerisch einheitliche Messungen durch.
Was sagen die Spitäler dazu?
Die Messungen geben immer wieder zu reden. In den letzten Jahren ist aber das Verständnis dafür gewachsen, dass die Resultate auch veröffentlicht werden sollen. Wir werden nicht einfach die Daten ins Internet stellen, sondern so auswerten, dass sie ein durchschnittlicher Leser interpretieren kann. Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Man kann die Veröffentlichung auch ad absurdum führen, indem man eine Datenschwemme ins Internet stellt. Das nützt nichts. Wir brauchen wenige, aber aussagekräftige und vergleichbare Resultate.
Auch das BAG will selber vermehrt die Qualität in Spitälern kontrollieren. Was halten Sie davon?
Das Gesetz sieht vor, dass die Leistungserbringer und die Krankenkassen miteinander ein Qualitätssicherungssystem vereinbaren. Das hat nur bedingt funktioniert. Es ist nicht falsch, wenn der Bund mehr Vorgaben macht. Wir fordern aber eine engere Zusammenarbeit mit denen, die näher an der Front sind. Das heisst mit Leuten, die wissen, was bei Qualitätsmessungen Sinn macht und wie die Daten zu interpretieren sind. Bei uns im Vorstand nimmt auch ein Vertreter des BAG Einsitz. Der Bund soll uns als Gesprächspartner wahrnehmen und sich mit uns absprechen.
Mit der Infektionsrate beurteilen Sie auch die Hygiene in Spitälern. Ist diese ungenügend?
Wenn die Häufigkeit der Infektionen in gewissen Spitälern höher ist als im Durchschnitt, muss man davon ausgehen, dass die Hygiene ein Problem ist. Dann gibt es Programme, wie man damit umgehen kann. Wir wollen vor allem präventiv wirken.
Im vergangen Jahr stellten die bernischen Lebensmittelkontrolleure auch in einigen Spitälern erhebliche Mängel fest. In einer Spitalküche soll etwa eine Konservendose in ein Sieb umgewandelt worden sein. Um welche Spitäler handelt es sich dabei?
Wir haben bei den Spitälern im Kanton Bern nachgefragt. Nach deren Aussagen gibt es keine grösseren Probleme. Im einen oder anderen Spital mag es Beanstandungen gegeben haben. Das ist unproblematisch. Auch hier stellt sich die Frage, wie man mit Fehlern umgeht respektive diese korrigiert. Und das fragliche Sieb wurde nicht in einem bernischen Spital gefunden.
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