Rekordverluste an den MärktenEs gibt kein Geld mehr von der Nationalbank
Im laufenden Jahr hat die SNB bereits rund 145 Milliarden Franken verloren. Jetzt soll der Bundesrat die Ausschüttungen neu verhandeln, fordern Finanzpolitiker in Bundesbern.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) fährt wegen der negativen Entwicklungen an den Finanzmärkten grosse Verluste ein. Allein seit Mitte Jahr verlor sie rund 50 Milliarden Franken, wie eine Analyse der UBS festhält. Zusammen mit dem Resultat für das erste Halbjahr sind damit bis heute Verluste von schätzungsweise 145 Milliarden Franken aufgelaufen.
Das ist eine schlechte Nachricht für Bund und Kantone, die in den letzten Jahren regelmässig mit hohen Gewinnausschüttungen der Nationalbank rechnen konnten – im letzten Jahr waren es sechs Milliarden Franken. Viele Kantone haben die SNB-Gelder für die nächsten Jahre schon eingeplant.
Kein Geld für Kantone, falls nicht noch ein Wunder geschieht
Daraus wird dieses Jahr wohl nichts: «SNB-Ausschüttungen an die Kantone sind, sofern sich die von uns erwartete Marktentwicklung realisiert, im laufenden Jahr unwahrscheinlich», stellen die UBS-Fachleute Katharina Hofer, Alessandro Bee und Matthias Holzhey fest.
Dies dürfte in manchen Kantonen ein Loch ins Budget reissen. In den letzten zwei Jahren machten die SNB-Milliarden je nach Kanton zwischen zwei und sechs Prozent des Gesamtertrags aus. Bei einem Wegfall könnte dies das kantonale Finanzergebnis ins Defizit ziehen, warnt die UBS. Wenn die Konjunktur einbricht und in der Folge die Steuereinnahmen zurückgehen, verschärft sich die Lage zusätzlich.
Politiker erhalten Unterstützung aus der Wissenschaft
Um Nullrunden für die Kantone in Zukunft zu vermeiden, fordert Gerhard Andrey, Nationalrat der Grünen, nun mit einer Motion vom Bundesrat, die Modalitäten der Gewinnausschüttungen mit der SNB neu zu verhandeln. Das Ziel: Die starken Schwankungen sollen geglättet werden und weniger abhängig sein von sehr guten oder sehr schlechten Jahresergebnissen.
Die Motion wird von einer Mehrheit der Finanzkommission des Nationalrats – 15 von 25 Mitgliedern – und von Vertretern aus allen Fraktionen unterstützt. Das ist ungewöhnlich für Vorstösse, die die Nationalbank betreffen, und unterstreicht den Stellenwert, der dem Thema im Bundeshaus mittlerweile beigemessen wird.

Eigentlich hätte die im Jahr 2003 geschaffene Gesetzesgrundlage dafür sorgen sollen, dass die Gewinnausschüttungen verstetigt werden. Aber die damals nicht absehbare Ausweitung der Bilanz der SNB auf rund 1000 Milliarden Franken lässt das Jahresergebnis in beide Richtungen extrem schwanken.
So führt eine Aufwertung des Frankens gegenüber den wichtigsten Währungen um 1 Prozent bei der aktuellen Höhe der Devisenanlagen zu einem Verlust von gegen 10 Milliarden Franken. Gleich viel Verlust resultiert, wenn die Aktienkurse an den Börsen um 4 Prozent oder die Anleihekurse im Schnitt um 1,4 Prozent fallen.
«Die aktuelle Regelung schafft es offensichtlich nicht, die Gewinnausschüttungen zu verstetigen. Deshalb muss der Bundesrat das mit der Nationalbank neu verhandeln», sagt Gerhard Andrey. Er schlägt vor, ein ausschliesslich für Auszahlungen bestimmtes Konto zu schaffen und die Schwankungen in einem eigens dafür vorgesehenen Konto zu verbuchen.
Untermauert wird die Kritik an der geltenden Regelung von Stefan Gerlach, ehemaliger Vizepräsident der irischen Notenbank und heute Chefökonom der Bank EFG, Yvan Lengwiler, Wirtschaftsprofessor an der Universität Basel, und Charles Wyplosz, Professor am Graduate Institute in Genf: «Die Vorgänge des laufenden Jahres zeigen, wie seltsam die Rechnungslegung der SNB ist», stellten sie in einer Analyse fest.
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