Aktenaffäre bedroht Kandidatur 2024Erste Demokraten wenden sich von Biden ab
Nach dem vierten Fund vertraulicher Dokumente im Haus des US-Präsidenten wird in seiner Partei Kritik laut: Bidens Umfragewerte seien zu tief für das Rennen um die Präsidentschaft.

Nach dem vierten Fund von Geheimdokumenten bei Joe Biden äussern sich nun auch Demokraten zunehmend kritisch über ihren Präsidenten. «Wenn solche Informationen gefunden werden, mindert dies das Ansehen der Person, weil das nicht geschehen sollte», sagte etwa Dick Durbin am Sonntag. Der Senator aus Illinois ist die Nummer zwei der Demokraten in der kleinen Kammer hinter Mehrheitsführer Chuck Schumer. Er kennt Biden noch aus der Zeit, als dieser selbst für Delaware im Senat sass. Das war bis zum Jahr 2009. Dann stieg Biden zum Vizepräsidenten im Weissen Haus auf.
Inzwischen sind auch Geheimdokumente aus jener lange zurückliegenden Senatskarriere in Bidens Haus in der Stadt Wilmington gefunden worden. Nur spärliche Details sind zu diesen Unterlagen bekannt geworden. Doch teilte Bidens persönlicher Anwalt Bob Bauer am Samstag mit, Agenten der Bundespolizei FBI hätten am Freitag mehr als zwölf Stunden lang sämtliche der offenbar zahlreichen Ablageflächen und Lagerräume in Bidens privatem Anwesen durchkämmt. Selbst den Putzschrank besichtigten die Polizisten gemäss Medienberichten. Zum Vorschein kamen dabei sechs weitere Aktenstücke mit Geheimmarkierungen. Das FBI stellte auch weiteres Material sicher, unter anderem handschriftliche Notizen Bidens.
Bidens Verteidigungsstrategie wankt
Die neuerlichen Funde stellen die bisherige Verteidigungsstrategie des Präsidenten in der Dokumentenaffäre infrage. Er hatte stets geltend gemacht, die Vorschriften für den Umgang mit Geheimakten sehr ernst zu nehmen. Hinter den Kulissen verbreiteten seine Leute die These, Mitarbeiter Bidens hätten die Kisten unsorgfältig gepackt, als sie 2017 das Büro im Weissen Haus sowie die Residenz des Vizepräsidenten in einem Marinestützpunkt in Washington aufräumten. Mit dieser Erklärung jedoch dürfte es Biden kaum gelingen, die Funde von Unterlagen aus seiner Senatszeit zu begründen.
Er sei «besorgt», sagte nun Durbin am Wochenende. «Es gibt einen Standard für den Umgang mit Geheiminformationen, den wir als Kongressmitglieder befolgen», sagte der Senator aus Illinois. «Es ist schlicht inakzeptabel, dass irgendwelche Dokumente irgendwo in einem Lagerraum abgelegt wurden.»
Biden werde hoffentlich Reue zeigen, sagte Joe Manchin, ein weiterer Senator aus West Virginia. Er könne sich jedenfalls nicht damit entschuldigen, seine Mitarbeiter hätten Fehler begangen. «Ich würde schauen, wer den Fehler gemacht hat», sagte Manchin. «Aber im Grunde trage ich die letzte Verantwortung», fügte er hinzu und wählte dafür einen Ausdruck, den auch Biden zu verwenden pflegt: «The buck stops with me.»
Selbstverständlich weisen die Demokraten stets darauf hin, dass Biden voll mit dem Justizministerium kooperiert habe, als die ersten Geheimdokumente auftauchten – anders als Donald Trump, der die Behörden monatelang hinhalten und belügen liess. Allerdings zeigt sich nun auch im Fall Biden, dass nicht alles rundgelaufen ist. Nach dem ersten Aktenfund im November hätten seine Anwälte herauszufinden versucht, ob weitere Funde zu erwarten seien. Das hätten sie für wenig wahrscheinlich gehalten, gestützt auf Auskünfte von Mitarbeitern Bidens, wie die «New York Times» berichtet. Zudem hätten sie gehofft, dass das inzwischen eingeschaltete Justizministerium seine eigenen Abklärungen schnell beenden würde. Als jedoch mehrere Wochen verstrichen, seien sie unruhig geworden und hätten sicherheitshalber selbst doch noch andere Räume Bidens durchsucht, allerdings zunächst, ohne das Justizministerium darüber zu informieren.
Republikaner vermuten Geschäftemacherei
Die Republikaner wollen all diese Vorgänge nun gründlich durchleuchten. Der Abgeordnete Michael Turner sagte, er wolle wissen, wem Biden die Dokumente gezeigt habe. «Gibt es Verbindungen zum Familiengeschäft der Bidens?», fragte der voraussichtliche Vorsitzende des Geheimdienstausschusses. Für die Anhänger von Donald Trump ist die Antwort darauf klar: Sie unterstellen dem Präsidenten, er und sein Sohn Hunter hätten die Staatsgeheimnisse zu Geld gemacht.
Solche Interpretationen weisen die Demokraten entschieden zurück. Doch in der Partei macht sich zunehmend Unbehagen breit. In Umfragen sagen zwei Drittel der Amerikaner, Biden habe Fehler gemacht im Umgang mit Geheimakten. Bisher hat das noch kaum auf seine Popularitätswerte durchgeschlagen. Die waren zuletzt gestiegen, bevor die Dokumentenaffäre publik wurde. Doch lagen sie noch immer nur knapp über 40 Prozent. Das sei zu wenig, um sich demnächst als Kandidat der Demokraten ins Rennen für die Präsidentschaftswahl 2024 zu werfen. «Er müsste mindestens 5 oder 6 Punkte höher liegen», sagte ein Parteistratege der Onlinepublikation «The Hill». Noch äusserte er sich nur anonym – doch es scheint nun eine Dynamik in Gang zu kommen, in der sich Demokraten bald wagen könnten, den Präsidenten öffentlich dazu aufzufordern, auf eine weitere Kandidatur zu verzichten.
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