Weiss – grün – braunErdlochbewohner vor dem Einwurfloch
Wenn der «Poller»-Schreiber die Glassammelstelle als Mülldeponie vorfindet, erwacht in ihm jeweils der gestrenge Blockwart.

Erhabenes und Banales liegen oft nahe beieinander. Keiner weiss das besser als der St. Galler Kabarettist Joachim Rittmeyer, der diese Sphären kunstvoll miteinander verknüpft. In einem seiner jüngeren Programme drehten sich einige Gedanken um Nahtoderlebnisse. Man glaube ja immer, dass dann die wichtigsten Lebensstationen wie ein Film vorbeizögen, so Rittmeyer – oder eine seiner Bühnenfiguren.
Von einem, der fast tot gewesen sei, wisse er aber, was dieser wirklich gesehen habe. Bei einer Glassammelstelle sei er vor dem Einwurfloch gestanden, habe den Arm hochgehalten, die Flasche im Licht betrachtet und sich gefragt: «Isch da ä bruuni oder ä grüeni?»
Ich kann seither nicht mehr an einen Container herantreten, ohne daran zu denken. Verbunden mit der Hoffnung, dass mir dannzumal etwas Gewichtigeres in den Sinn kommen möge. Doch muss ich gestehen, dass ich im Umfeld der Glascontainer oft von noch niedrigeren Gedanken geplagt werde.
Ist es wirklich so schwierig, diesen Entsorgungsort korrekt zu benützen? Weiss – grün – braun: Das ist keine Hexerei. Okay, wer billigen Prosecco trinkt, entsorgt auch blaue Flaschen. Diese werden unter «grün» subsumiert, was beim Einwurfloch bildlich festgehalten ist, sodass sich diese Herausforderung in Grenzen hält. Alu und Dosenblech darf man gemeinsam in den Container werfen. (Ich verrate ein kleines schmutziges Geheimnis: Die trennen das vermutlich mit einem Magneten.)
Doch offenbar sind viele selbst mit diesem einfachen System überfordert. Sie sind zu faul, die Konservendosen im Schacht mittels Raddrehungen flach zu drücken. Sie legen bauchige Weinflaschen mit Bastverkleidung auf die Container. Auch Geschirr. (Wenigstens werfen sie es nicht in Scherben in den Container, denn Keramik gilt als grosser Feind des Glas-Recyclings.)
Es geht noch tiefer. Kaum haben Sisyphus-Arbeiter die vollen Container mit dem Lastwagen abtransportiert und die Umgebung gereinigt hinterlassen, kriechen Gehirnamputierte aus ihren Erdlöchern und deponieren Säcke mit Haushaltkehricht zwischen den Containern. Man findet halbe Velos und Teile von Stereoanlagen. Im Winter lag auf einem Container ein Laptop – von Raureif bedeckt.
Liebe Erdlochbewohner, was soll der Staat eurer Meinung nach mit diesem Krempel anfangen? Kommt in eurem Erdlochquartier keine reguläre Kehrichtabfuhr vorbei? Hat euch niemand den Weg in die Entsorgungsstelle erklärt? Dort nehmen sie fast alles entgegen, was man vorbeibringt. Ist aber nicht gratis. (Nein, der Entsorgungshof beim Egelsee ist im Fall schon lange nicht mehr, bitte den Krempel nicht in den See schütten.)
Wenn ich die zum Teil wahnwitzige Müllsammlung um den Container betrachte, regt sich in mir der Blockwart. Man müsste diese Leute in flagranti erwischen und bestrafen. Schon höre ich die Ausflüchte der Stadt: «Wir können nicht neben jeden Container einen Polizisten stellen.» Nicht neben jeden, nur neben einen einzigen: einen Detektiv mit Videokamera in einem getarnten Lieferwagen. Das würde Bussen hageln und wahre Wunder wirken.
Ich persönlich halte mich natürlich an zivilisierte Präventionsmethoden. Einmal fragte mich beim Container eine Frau mit Kopftuch, vermutlich aus dem Maghreb, ob man hier alles deponieren dürfe? Ich antwortete, die Worte sehr bewusst wählend: «Mais non, ce sont des cochons!» Die Frau erschauderte beim Gedanken an dieses unreine Tier. Sie wird bestimmt nie zu den Fehlbaren gehören.
Der «Bund»-Redaktor träumt heimlich von Rubbish-Leaks. Mit Beweisfotos würden Mülldeponierer im Internet geoutet.
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