Ein amerikanischer Investor als StädtebauerEr will eine Millionenstadt in die Wüste stellen
Marc Lore, der amerikanische Milliardär, plant den Bau einer neuen Stadt für fünf Millionen Menschen. Sie soll 400 Milliarden Dollar kosten. Wird sie nur den Reichen offenstehen?

Er ist nicht der Erste, der eine Stadt von Grund auf bauen lassen möchte, im Gegenteil. Hunderte von Städten sind auf diese Weise geplant und errichtet worden, vor allem in Asien und Afrika. Die südamerikanische Stadt Brasilia ist so entstanden – und gilt heute als gründlich gescheiterte Utopie, die gerade jene Probleme entwickelt hat, denen ihre Bauherren entgehen wollten.
Weit besser erging es der neuenburgischen Kleinstadt La Chaux-de-Fonds, nachdem das Dorf mit seinen Holzhäusern 1794 über Nacht abgebrannt war. Man sieht der Stadt ihren utopischen Charakter bis heute an: als Schachbrettmuster mit grossen grünen Flächen dazwischen, urbane Modernität auf 1000 Metern über Meer.
Ein fröhlicher Glatzkopf
Aber so etwas Grosses wie Marc Lore hat sich noch keiner vorgenommen. Ihn scheint das eher zu inspirieren, als abzuschrecken. Denn der 50-jährige Inverstor aus Staten Island, New York, plant den Entwurf, Bau und Betrieb einer Stadt in einer abgelegenen Region von Amerika, wo noch gar nichts steht ausser Wüste oder zumindest unbewohntes Land. Lore, ein fröhlicher Glatzkopf und nie um einen Superlativ verlegen, versteht das Projekt als eine «reformierte Version des Kapitalismus».
Als Standort für Telosa, wie die neue Stadt nach einem Begriff des griechischen Wissenschafters Aristoteles heissen soll, der sich als «höherer Zweck» übersetzen liesse, werden unbewohnte Regionen in den US-Staaten Nevada, Utah, Idaho, Arizona, Texas sowie den Appalachen erwogen. Geplant ist der Bau, der vierzig Jahre dauern soll, auf einer Fläche von 150’000 Hektaren; dereinst sollen 5 Millionen Menschen in Telosa unter idealen Bedingungen leben können.
Die Stadt will die Sauberkeit von Tokio, die Vielfalt von New York und das soziale Gewissen von Stockholm kombinieren. Wohnung, Arbeitsplatz und Schule sollen für die Bewohner innert einer Viertelstunde erreichbar sein. Zufuhr mit Verkehr und Energie sind klimagerecht geplant. Eine neue Regierungsform soll die Bevölkerung bei politischen Entscheiden und Finanzierungsfragen beteiligen.
Die ersten 50’000 Bewohner sollen schon 2030 einziehen können.
Marc Lore und seine Leute planen also die Modellstadt der Zukunft. Als Baukosten werden 400 Milliarden Dollar veranschlagt. Die ersten 50’000 Bewohner, verspricht die Website des Städteprojekts, sollen schon 2030 einziehen können.
Der Investor Marc Lore ist selber Milliardär. Der mehrfache Student ohne Abschluss, geschiedener Vater zweier Töchter, hat mit der Leitung des Handelskonzerns Walmart sein Vermögen verdient. Also einem umstrittenen, für seine ausbeuterischen Löhne berüchtigten Unternehmen, das jener Variante des Kapitalismus frönt, die Lore in der neuen Stadt überwinden möchte.
Die Kritik ist bereits heftig
Auch sonst kann sich der Utopist über mangelnde Kritik nicht beklagen. Bereits wird das Projekt als «grüngewaschenes Las Vegas» persifliert, als Eitelkeitsprodukt noch eines schwerreichen Mannes, der sich ein neues Spielzeug sucht. Viele fragen sich auch, woher Energie und Wasser kommen sollen, um eine solche Fünfmillionenstadt in einer Wüstengegend zu alimentieren.
Das grösste Misstrauen schlägt dem Milliardär aber nicht wegen des Baus der Stadt, sondern wegen der Auswahl ihrer Bewohnerinnen und Bewohner entgegen. Schon werden Stimmen laut, die dem Projekt als Fluchtort für Reiche misstrauen – einer Art goldener Arche Noah ohne Regen, in die sich alle retten können, die das Geld dafür haben, während die Welt um sie herum an ihrer eigenen Umweltverschmutzung zugrunde geht.
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