Die Cellisten Patrick und Thomas Demenga«Er ist mein Bruder, aber musikalisch sind wir enge Freunde»
Sich als Doppelpack vermarkten lassen: Das wollten Patrick und Thomas Demenga nie. Sie treten als Solisten mit dem Berner Kammerorchester auf.

«Heute würde einer wie Dimitri Schostakowitsch längst im Gefängnis sitzen. Diese Musik, seine Biografie sind aktueller denn je», sagt Patrick Demenga. Worauf der Berner Cellist anspielt: Monatelang ging Dimitri Schostakowitsch in seiner Kleidung schlafen, unter dem Bett den gepackten Koffer. Es war 1936, der Komponist erwartete jeden Moment ein Klopfen an der Tür, mit dem sich die stalinistische Geheimpolizei zu seiner Verhaftung ankündigen würde.
Würde Schostakowitsch heute leben: Sein Schicksal wäre wohl ein ähnliches. Vordergründig entsprach seine Musik den politischen Vorgaben, nie aber liess er davon ab, gut versteckt subversive Kritik zu äussern. Und eben das war es, was ihm ein Leben in Verfolgungsangst bescherte. Trotz des künstlerischen Maulkorbs in der Sowjetunion war der Komponist äusserst produktiv. Neben 15 Sinfonien und ebenso vielen Streichquartetten schrieb er Bühnenwerke, Filmmusik und Instrumentalkonzerte.
Darunter sind auch zwei Cellokonzerte. Während das erste längst ins Standardrepertoire eingegangen ist, wird das zweite nur selten aufgeführt. Und noch seltener: beide Solowerke im gleichen Konzertprogramm. Weil es nicht dem Standard entspricht, und nicht zuletzt, weil es für den oder die Solierende zu anstrengend wäre, dauern doch beide Stücke eine gute halbe Stunde und stellen hohe Anforderungen an Technik und Kondition.
Abrechnung mit dem Stalin-Regime
Das Berner Kammerorchester (BKO) unter der Leitung von Philippe Bach tut nun Ungewohntes und stellt die beiden Geschwisterwerke einander im gleichen Konzert gegenüber. Geschwister sind denn auch die zwei Solisten, beim Berner Publikum bestens bekannt und hochgeschätzt: die Berner Cellisten Thomas und Patrick Demenga.
Nur sieben Jahre liegen zwischen den beiden Werken (entstanden 1959 und 1966), musikalisch aber Welten. «Die Stücke sind so unterschiedlich, dass sie in einem Konzertprogramm sicher nicht miteinander konkurrieren, im Gegenteil», so Thomas Demenga. Das erste Konzert wird musikhistorisch als Abrechnung mit dem Stalin-Regime gelesen, im letzten Satz und arg verzerrt ein Lieblingslied von Stalin. «Das zweite hingegen entstand am Anfang von Schostakowitschs letzter Lebensphase, was ihm auch den zutiefst todgeweihten Charakter gibt», erzählt Thomas Demenga weiter. Schostakowitsch erlitt 1966 einen ersten Herzinfarkt, worauf er bis zu seinem Tod 1975 nicht mehr viel komponierte.
Patrick Demenga wird mit dem BKO das erste, Thomas Demenga das zweite Cellokonzert spielen. Auf die Frage, wie die Aufteilung vonstattenging, antwortet Thomas Demenga pragmatisch: «Ich spiele das zweite, aus dem einfachen Grund, weil ich das andere noch hätte einstudieren müssen.» Und er bestätigt den Eindruck, dass das zweite Cellokonzert deutlich weniger oft aufgeführt wird: «Ich habe es seit Jahren in meinem Repertoire, aber mehr als schätzungsweise zehnmal habe ich es bisher nicht gespielt.»
Die Demengas sind in Bern eine bekannte Künstlerfamilie – alle sieben Geschwister sind in der Musik, dem Schauspiel oder der Bühnenkunst aktiv. Wie war es, sich als Brüder mit demselben Instrument im gleichen Umfeld individuell zu behaupten? «Wir hatten genügend Altersunterschied, was den Einstieg sicher erleichterte. Heute spielt das aber ja längst keine Rolle mehr, jeder hat seinen Weg gefunden», so Patrick Demenga. Sein älterer Bruder ergänzt: «Aber es gibt schon nicht viele andere Beispiele wie uns. Da sind beispielsweise Zwillingspaare wie die Pianistinnen Katia und Marielle Labèque. Die aber funktionieren nur als Doppelpack. Das hätten wir niemals gewollt.»
Ein Heimspiel
Die Brüder wohnen beide in Bern, haben aber ihr jeweiliges Netz nebst ihrer Solistenkarriere längst in unterschiedliche Richtungen gespannt. Patrick Demenga unterrichtet an der Hochschule Lausanne und leitet die Musikfestwoche Meiringen, Thomas Demenga ist Dozent in Basel und als Komponist tätig. Und immer mal wieder treffen sie sich auf einer Bühne, mit dem Cello.
Das setzt ein gemeinsames musikalisches Verständnis voraus. Wenn das nicht vorhanden wäre, hätten sie längst mit dem gemeinsamen Musizieren aufgehört, sagen die Brüder. «Man sagt doch so schön, ‘musikalisch mit jemandem so verbunden zu sein wie mit einem Bruder oder einer Schwester’. Mit Thomas ist es umgekehrt: Er ist mein Bruder, aber musikalisch sind wir enge Freunde», so Patrick Demenga.
Im grossen Saal des Konsi Bern erwartet die beiden Cellisten ein Heimspiel. Und darauf freuen sie sich: «Ich spiele gerne in Bern. Man sieht dann all seine Freunde mal wieder, im Publikum», sagt Thomas Demenga lachend. Dass sich das Publikum auch auf den Demenga-Doppelauftritt freut, kann man laut sagen, und hier kommt die schlechte Nachricht: Das Konzert ist restlos ausverkauft. Dafür gibt es zwei gute Nachrichten: Alle Zuspätkommenden haben die Möglichkeit, für 20 Franken ein Ticket für die Generalprobe am Freitagvormittag zu ergattern. Oder man geduldet sich bis im Sommer und besucht die Musikfestwoche Meiringen, wo das Cellodoppel mit dem BKO und Schostakowitsch nochmals auftritt.
Konsi Bern, Konzert am Freitag, 10. März, 19.30 Uhr (ausverkauft), öffentliche Generalprobe um 10 Uhr, Infos und Tickets unter www.bko.ch
Konzert an der Musikfestwoche Meiringen, 9. Juli, 11 Uhr, Infos und Tickets unter www.musikfestwoche-meiringen.ch
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