Debatte um kulturelle Aneignung«Empörend ist eher die Empörungsbewirtschaftung»
Die laute Debatte über den Konzertabbruch in der Berner Brasserie Lorraine folge einem standardisierten Ablauf, sagt Psychoanalytiker Peter Schneider.

Herr Schneider, in einer Berner Quartierbeiz wird ein Konzert abgebrochen, und die halbe Schweiz sowie Teile des Auslands sind in heller Aufregung. Was ist da aus Sicht des Psychoanalytikers passiert?
Psychoanalytisch gibt der Fall nicht sehr viel her. Viel eher lässt sich das Ganze als soziales Phänomen mit entsprechenden Interessen dahinter deuten. Das Lustige daran ist, dass wir jetzt einmal von ganz nah mitbekommen, wie ein Vorfall international Beachtung findet und bewirtschaftet wird. Sonst begegnen wir häufig Anekdoten à la «Kind XY durfte nicht als Indianer verkleidet an den Kindergeburtstag». Recherchiert man, entpuppt sich das Ganze aber häufig als ziemliche Übertreibung. Dasselbe sieht man jetzt bei dieser Konzertgeschichte: Niemand hat Tränengas geworfen oder Musiker verletzt.