Gedanken an verstorbene SpielerinPure Emotionen: «Ich hoffe, sie ist stolz auf ihre Teamkolleginnen»
Was für ein Krimi: Die Schweizerinnen qualifizieren sich nach Penaltyschiessen für die EM 2022. Trainer Nils Nielsen wird danach emotional – er erinnert sich an die Tragödie zum Qualifikationsstart zurück.

Noch redet Gaëlle Thalmann, erklärt, was ihr während dem Penaltyschiessen durch den Kopf ging, wie nervös sie dabei war. Doch das scheint Nils Nielsen gar nicht wahrzunehmen. Der Schweizer Nationaltrainer setzt sich im Medienraum der Thuner Stockhorn Arena an den Rand der Bühne, muss von Medienchef Dominik Erb daran erinnert werden, dass er es sich auch auf einem Stuhl gemütlich machen könnte. Doch Nielsen ist in seiner eigenen Welt. Er hat Tränen in den Augen, wirkt sichtlich abgekämpft. Und das liegt nicht mal am nervenaufreibendem Sieg.
Nein, diese Qualifikation für die Europameisterschaft 2022 in England hat für ihn eine ganz andere Bedeutung. Der Däne erinnert sich zurück, an den Start der Kampagne. An den «schrecklichen Start», wie er es ausdrückt. Natürlich geht es ihm da nicht um Resultate. Nielsen meint den plötzlichen Tod von Nationalspielerin Florijana Ismaili. Die 24-Jährige verstarb am 29. Juni 2019 nach einem Badeunfall im Comersee. Und Nielsen erinnert sich daran, was er sich kurz nach der tragischen Nachricht geschworen hatte: Alles zu tun, um sich für diese EM zu qualifizieren. Oder, wie er es ausdrückt: «Ein kleines Statement für jemand, die von oben auf uns herabgeschaut hat.»
Wälti ist komplett am Ende
Um dieses Statement abzugeben, brauchte es allerdings viel Glück – und einen Goalie. Zwei Penaltys parierte Gaëlle Thalmann, beim entscheidenden Schuss half die Latte mit. «Das war die gleiche Schützin, die im Hinspiel getroffen hatte. Sie war heute wohl noch etwas nervöser als ich», sagt die 35-jährige Torhüterin. Sie selber sei vor allem am Anfang nervös geworden, dann nämlich, als mit Malin Gut und Coumba Sow die ersten beiden Schweizerinnen vom Punkt scheiterten.
Dass mit Gut eine 20-Jährige den so wichtigen ersten Penalty in diesem so wichtigen Spiel schoss, macht Nielsen stolz. «Sie hat das unglaublich gut gemacht», sagt er. Natürlich meint er nicht den Schuss, der von Tschechiens Goalie Barbora Votikova pariert wurde. Eher, dass eine so junge Spielerin eine solche Verantwortung übernehmen möchte, findet Nielsen bemerkenswert. Auch, dass sich sieben Spielerinnen freiwillig meldeten. Und das in einem Team, das bis vor wenigen Stunden noch den Ruf hatte, nicht mit Druck umgehen zu können. Als dieser dann abgefallen ist, sagt Captain Wälti: «Ich bin komplett am Ende.»
Weil aber Wälti mit einem perfekten Penalty, die 22-jährige Alisha Lehmann und Rekord-Torschützin Ana Maria Crnogorcevic trafen, nimmt die Schweiz nach der verpassten WM wieder an einem Grossanlass teil. Im Moment der grossen Erleichterung bringt Nielsen das traumatische Erlebnis vom Sommer 2019 nicht aus dem Kopf. Dass sein Team im Hinspiel, im Rückspiel und im Penaltyschiessen nach Rückständen reagieren konnte, zeigt ihm, dass seine Spielerinnen «wirklich alles dafür taten», um an die EM zu fahren. Seine Augen werden wieder wässrig, die Schultern sinken etwas ab, die Mundwinkel zeigen nach unten. Er wirkt gleichzeitig traurig und glücklich, als er sagt: «Ich hoffe, sie ist stolz auf ihre Teamkolleginnen.»
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