«Ein Pistorius ohne Geld wäre wegen Mordes verurteilt worden»
Für viele Beobachter hat das Verfahren gegen Oscar Pistorius den für ihn bestmöglichen Ausgang genommen. Die Wut in Südafrika ist gross.
Für die Richterin war es fahrlässige Tötung. Nach über sechs Monaten und 42 Prozesstagen ist Oscar Pistorius einer Verurteilung als Mörder entgangen. Viele sind erstaunt über die Milde des Urteils - und andere richtig wütend.
Die Spannung war mit Händen zu greifen, als Richterin Thokozile Masipa ihr Urteil gegen Oscar Pistorius sprach. «Schuldig der fahrlässigen Tötung», entschied die 66-Jährige am Freitag.
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Für den 27-jährigen Paralympics-Star hätte der Prozess weit dramatischer ausgehen können, dennoch droht ihm im schlimmsten Fall eine langjährige Gefängnisstrafe.
Der Chefankläger als grosser Verlierer
Der eigentliche Verlierer des Prozesses ist aber Chefankläger Gerrie Nel. Die Ausführungen der Richterin kamen einer Demontage der Staatsanwaltschaft gleich.
Mehrmals bezweifelte Masipa mit scharfen Worten die Glaubwürdigkeit von Zeugen der Anklage. Nel sei es zudem nicht gelungen, zweifelsfrei zu beweisen, dass Pistorius in der Nacht zum Valentinstag 2013 kaltblütig seine Freundin Reeva Steenkamp töten wollte.
Nachlässig, fahrlässig habe er gehandelt - das ja. Aber ein Mörder sei er nicht. Im zum Bersten gefüllten Gerichtssaal schüttelten viele mit dem Kopf.
Berufung ist möglich
Die Staatsanwaltschaft sei enttäuscht, sagte der Sprecher der Behörde Nathi Mncube. «Aber erst, nachdem das Strafmass feststeht, können wir unsere Möglichkeiten abwägen und schauen, ob es weitere Schritte geben kann.» Berufung legt in Südafrika normalerweise nur die Verteidigung ein, jedoch hat auch die Anklage dazu die Möglichkeit, wenn sie einen Verfahrensfehler vermutet.
Bei der Bekanntgabe des Urteils ging ein Raunen durch den Saal. Pistorius wirkte gefasst und schien sich vor der Richterin zu verbeugen. Schock auf der einen Seite und Erleichterung auf der anderen, die Emotionen waren fast greifbar.
Steenkamps Eltern Barry and June trugen die Entscheidung aber sehr gefasst. Der Vater verliess das Gericht schon nach wenigen Minuten mit hängenden Schultern. Die Mutter nahm eine schluchzende Angehörige tröstend in den Arm und flüsterte ihr zu «Du musst nicht weinen! Du musst nicht weinen!»
«Wer Geld hat, steht über dem Gesetz»
Auch zahlreiche Südafrikaner sind wütend über die Milde der Richterin. «Das Urteil zeigt eins ganz deutlich: Wenn jemand in diesem Land Geld hat, dann steht er über dem Gesetz», ärgerte sich Jason Fernandes aus Johannesburg. «Wenn Oscar so arm wäre wie alle anderen, dann wäre er des Mordes für schuldig befunden worden.»
Pistorius hatte seine Tat damit begründet, dass er im Bad einen Verbrecher vermutete und um sein Leben fürchtete. Die Richterin glaubte dieser Version, auch weil der beinamputierte Sportler selbst die Hilfskräfte alarmiert und sie angefleht hatte, Steenkamps Leben zu retten.
Jedoch warf sie ihm vor, übereilt gehandelt zu haben. Statt per Handy die Sicherheitskräfte zu informieren oder vom Balkon um Hilfe zu schreien, habe er gleich zur Waffe gegriffen, monierte sie. Für den südafrikanischen Anwalt Keith Gess ist der Ausgang des Verfahrens «das Beste, auf das Pistorius hoffen konnte».
Wenn er Glück hat, dann könnte der Sportler sogar nach wenigen Jahren wieder in Freiheit sein - oder gar zu einer Bewährungsstrafe verurteilt werden, meinen Experten. Seine Karriere als Sprinter ist aber wohl dennoch am Ende und sein Status als beliebtes Sportidol zerstört.
AP/ldc
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