BLS hat neuen Direktor gefundenEin Modelleisenbahn-Fan wird BLS-Chef
Daniel Schafer, der CEO des Energieunternehmens EWB, wechselt zur krisengeschüttelten BLS. Dem neuen Bahn-Chef wird es an Herausforderungen nicht mangeln.

Im letzten Jahr nahm Daniel Schafer – zu diesem Zeitpunkt zwölf Jahre als CEO von Energie Wasser Bern (EWB) im Amt – ein Sabbatical. Aus den geplanten Reisen wurde aus bekannten Gründen nichts; also widmete er sich dem Lesen und Biken, übte sich im 3-D-Druck und beschäftigte sich mit seiner Modelleisenbahnanlage im Keller. Eisenbahnen hätten ihn schon sein Leben lang fasziniert, schreibt Schafer auf Anfrage.
Ab Herbst wird sich der 54-Jährige auch hauptberuflich mit Eisenbahnen beschäftigen – er ist der künftige CEO der Berner Staatsbahn BLS. Er habe eine neue Herausforderung gesucht, EWB sei zudem «strategisch hervorragend als Gesamtenergiespezialist positioniert», und wichtige Zukunftsprojekte seien aufgegleist, schreibt Schafer.
Während er als CEO von EWB kaum je im Rampenlicht stand, dürfte sich das in seiner Funktion als BLS-Chef schlagartig ändern, denn um seine künftige Arbeitgeberin steht es aktuell nicht gut. Schafer wird ein Unternehmen im Krisenmodus übernehmen, eine BLS, die sich mit Problemen an allen Ecken und Enden konfrontiert sieht und deren Negativschlagzeilen auch nach dem Seuchenjahr 2020 nicht abreissen wollen.
Krise längst nicht vorbei
So kommen etwa nach der Kostenexplosion bei der Sanierung des Lötschberg-Scheiteltunnels regelmässig neue Umweltsünden ans Licht; gerade am vergangenen Donnerstag wurde bekannt, dass giftiger Betonschlamm verbotenerweise in Mitholz anstatt in Spezialdeponien entsorgt wurde. Nicht ausgestanden ist für die BLS zudem der Fall um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag an zu hohen Abgeltungen, die sie über Jahre hinweg für den subventionierten Personenverkehr von der öffentlichen Hand bezogen hatte. Im Zuge dieses Falls hatte Schafers Vorgänger Bernard Guillelmon im letzten September seinen Posten geräumt. Ob die Subventionsaffäre strafrechtliche Konsequenzen hat, ist noch offen. Im Januar warf die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats der BLS vor, sie kooperiere nur ungenügend.
«Als CEO muss ich nicht der beste Fachspezialist sein, sondern der beste, unterstützende Chef.»
Ebenfalls noch nicht gelöst ist der Streit um das neue Depot, das die BLS am liebsten im Chliforst im Westen der Stadt Bern bauen möchte und das bei der Bevölkerung auf heftigen Widerstand stösst. Und dann ist da noch die Corona-Krise, die sämtlichen ÖV-Unternehmen zusetzt und auch bei der BLS ein Loch in Millionenhöhe in die Kasse riss – eine Krise, die noch länger nicht ausgestanden sein dürfte.
Branchenfremd? Kein Problem
An Herausforderungen also wird es dem künftigen BLS-CEO nicht mangeln, viel Zeit zum Einarbeiten wird ihm nicht bleiben. Im Detail will sich Schafer noch nicht zu seinem künftigen Mandat äussern, «ich werde nach meiner Ankunft die Situation analysieren und danach meine Schlüsse ziehen». Er sei aber gut darin, gemeinsam mit motivierten Leuten tragfähige Lösungen zu entwickeln, schreibt Schafer. «Die BLS hat ein hervorragendes Angebot und topmotivierte Mitarbeitende», das sei eine gute Ausgangslage.
Dass er branchenfremd ist und ein Eisenbahnunternehmen eine hochkomplexe Angelegenheit – darin sieht Schafer kein Problem. Er gehe die neue Herausforderung äusserst verantwortungsvoll und mit dem nötigen Respekt an, schreibt er. «Ich bringe lange Erfahrung in einem anspruchsvollen, öffentlich-rechtlichen Umfeld mit, bei dem in erster Linie die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden im Fokus stehen, aber auch diejenigen anderer Anspruchsgruppen, wie beispielsweise der Besteller.» Als CEO müsse er nicht der beste Fachspezialist sein, sondern der beste, unterstützende Chef.
Schafer, in Bern aufgewachsen und wohnhaft in Niederönz bei Herzogenbuchsee, setzte sich gegen über 50 andere Kandidatinnen und Kandidaten durch. Er studierte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) Elektrotechnik und ist seit 2008 der CEO von EWB. Zuvor war er in verschiedenen Funktionen in der Energiesparte des Alstom-Konzerns tätig. Der designierte BLS-Chef wird sein Amt am 1. September antreten und Interims-CEO Dirk Stahl ablösen, der wieder vollamtlich die BLS Cargo übernimmt.
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