«Ein Hund weiss, wo er sein Maul hat»
«Bund»: Muss man grundsätzlich davon ausgehen, dass jeder Hund einen beissen könnte?
Tatiana Lentze: Jeder Hund kann beissen. Die Frage ist, ob ers tut – wie tolerant er gegenüber verschiedenen Situationen ist. Manche Hunde könnte man extrem provozieren, und sie würden nicht beissen. Andere beissen sehr schnell zu. Man sollte sich bei jedem Hund so verhalten, dass er keinen Grund hätte, zu beissen.
Kann ein Laie beurteilen, wie gefährlich ein Hund ist?
Nein.
Und eine Fachperson?
Schon eher. Wenn ein Hund mit gesträubten Haaren dasteht und einen anknurrt, kanns jeder beurteilen. Aber wenn ein Hund einfach dasteht und keine Mimik zeigt, dann kann auch ein Fachmann die Warnung nicht erkennen. Es gibt Hunde, die zeigen sehr wenig Mimik und reagieren sehr schnell aggressiv.
Gibt es gefährliche Hunderassen?
Grundsätzlich gibt es keine gefährlichen Rassen, aber grössere Hunde mit besonders kräftigem Kiefer können schlimmere Verletzungen verursachen. Hundetypen, die wenig Warnzeichen zeigen, sind gefährlicher, da die Situation nicht vermieden werden kann.
Wie weit reduziert eine gute Erziehung die Gefahr?
Natürlich ist es sehr wichtig, dass Hunde gut sozialisiert, erzogen und jederzeit unter Kontrolle sind. Aber es ist einfach so, dass gewisse Hunde eher die Tendenz haben, impulsiv oder aggressiv zu reagieren.
Hängt das mit der Abrichtung als Kampfhunde zusammen?
Bestimmte Hundetypen, von denen man jetzt oft wegen Beissunfällen hört, etwa der Pitbull, wurden früher als Kampfhunde gezüchtet und gegeneinander oder gegen andere Tiere gehetzt. Heute gibt es sicher Personen, die ihre Hunde zu kriminellen Zwecken gegen Menschen abrichten.
Kann man umgekehrt auch die Beisshemmung trainieren?
Ja; wenn ein Hund beim Spielen zuschnappt, sagen manche Besitzer: «Er hats nicht absichtlich getan.» Das gibt es nicht: Ein Hund weiss, wo er sein Maul hat. Und man kann ihm beibringen, vorsichtig zu sein beim Spielen oder wenn er ein «Gudi» bekommt. Er muss einfach wissen: Menschenhaut, Menschenfinger, da brauchts äusserste Vorsicht. Die Beisshemmung muss der Hund vom Welpenalter an trainieren; das ist Sache des Züchters und dann des Besitzers.
Reichen die obligatorischen Kurse?
Den Theoriekurs vor der Anschaffung eines Ersthundes finde ich sehr sinnvoll. Der praktische Kurs ist ein guter Ansatz. Aber jeder Hundebesitzer muss sicher mehr als die vier Lektionen in die Erziehung seines Hundes stecken.
Was taugen andere Massnahmen, die in manchen Kantonen verfügt oder diskutiert werden, etwa Verbot oder Bewilligungspflicht für bestimmte Rassen?
Ich bin kein Freund von Rassenverboten. Was wäre mit Mischlingen, und hiesse es, dass alle anderen Hunde unproblematisch sind? Besser wäre, eine gewisse Kontrolle auszuüben, wer problematische Hunde anschafft, und auffällige Hunde möglichst früh zu erfassen. Auch wenn es eine Verallgemeinerung ist: Es gibt die Tendenz, dass relativ junge Halter ohne grosse Erfahrung sich potenziell gefährliche Hunde zulegen. Da sollte man Auflagen für Kenntnisse des Halters und Erziehung des Hundes machen.
Also doch je nach Rasse?
Eine Möglichkeit wäre die Grösse. Ein Yorkshire Terrier richtet nun einmal, auch wenn er aggressiv ist, geringeren Schaden an als ein Pitbull oder auch ein Berner Sennenhund. Wichtiger als die Details der Regelung wäre, dass sie zwischen den Kantonen einheitlich ist. Das Tierheim des Berner Tierschutzes in Oberbottigen füllt sich langsam aber sicher mit Hunden, die aus andern Kantonen abgeschoben werden, weil sie dort nicht mehr vermittelt werden können und wir in Bern noch keine Auflagen haben.
Welche Auflagen wären sinnvoll, Maulkorb- oder Leinenzwang etwa?
Allgemeiner Leinenzwang wäre tierschutzwidrig, es braucht ihn allenfalls an bestimmten Orten wie Schulgeländen. Einen Maulkorb brauchts sicher nicht für jeden Hund. Am wichtigsten wäre längere und bessere Ausbildung, aber das ist nicht durchsetzbar.
Interview: dg
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