«Dieser Sieg ist durchschlagend»
Die Partei von Ministerpräsident Viktor Orban geht klar als Siegerin aus der Parlamentswahl in Ungarn hervor. Die Fidesz-Partei erhält 44,5 Prozent der Stimmen. Sie kann wieder mit dem Zwei-Drittel-Mehr rechnen.
Bei der Parlamentswahl in Ungarn hat sich die Partei von Ministerpräsident Viktor Orban klar durchgesetzt. Nach Auszählung von über 98 Prozent kam sein rechtsnationaler Bürgerbund Fidesz auf 44,5 Prozent der Stimmen, wie die nationale Wahlkommission mitteilte.
Zusammen mit dem kleineren Koalitionspartner, den Christdemokraten, sicherte sich die Partei mit 133 von 199 Sitzen im Parlament erneut knapp eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Zudem gingen 96 von insgesamt 106 Wahlkreise an das Regierungsbündnis.
Die oppositionelle Mitte-Links-Koalition erhielt 26 Prozent der Stimmen und kann mit 38 Abgeordneten im Parlament rechnen. Die rechtsextreme Jobbik (Die Besseren) verbuchte Gewinne und dürfte auf 23 Sitze kommen. Mit fünf Abgeordneten ist künftig die grüne Partei Politik kann anders sein vertreten. Sie kam auf 5,3 Prozent.
«In Ungarn ist es wieder wert zu leben»
Orban tritt seine dritte Amtszeit als Regierungschef an. In einer Ansprache nach dem Sieg zeigte er sich vor jubelnden Anhängern euphorisch. «Jeder Zweifel und alle Ungewissheit sind zerstreut. Wir haben gewonnen», sagte Orban. «Ungarn ist wieder ein Ort, an dem es wert ist zu leben, zu arbeiten und eine Familie zu gründen. Wir haben klargemacht, dass wir nicht zurückweichen.»
Wegen zahlreicher umstrittener Massnahmen und einer Schwächung der demokratischen Kontrollmechanismen war Orban immer wieder mit Brüssel aneinandergeraten. In seiner Ansprache erklärte er aber, das Ergebnis zeige, dass Ungarns Platz in der EU sei. Das gelte aber nur, wenn das Land eine starke Nationalregierung habe, betonte Orban. «Dieser Sieg ist so durchschlagend, dass wir seine Bedeutung heute noch gar nicht ermessen können», fügte Orban hinzu.
Staatliche Kontrolle ausgebaut
Schon bei der letzten Wahl im Jahr 2010 wurden seine Fidesz-Partei und die Christdemokraten mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ausgestattet, die der Koalition im Alleingang die Verabschiedung einer Verfassung und anderer Gesetze erlaubte. Zudem baute die Regierung im grossen Stil die staatliche Kontrolle der Wirtschaft aus – zum Nachteil privater Unternehmen und verunsicherter Investoren. Zugleich gelang es der Führung um Orban, das Haushaltsdefizit und die Staatsschulden zu senken sowie die Inflation und die Arbeitslosigkeit zu reduzieren.
Viele dieser Erfolge sind jedoch aus Sicht von Experten das Resultat kurzfristiger Massnahmen wie die Verstaatlichung von Vermögen privater Pensionsfonds im Umfang von umgerechnet zehn Milliarden Euro sowie die Erhöhung von Steuern von Banken und Unternehmen. Zudem setzte die Regierung niedrigere Strompreise für Haushalte durch, im Ausland arbeitende Ungarn wurden in der heimischen Erwerbsstatistik erfasst. «Ich glaube, dass es für (Orban) wichtig sein wird, von kurzfristig angelegten Notfallmassnahmen abzurücken und sich mehr in Richtung Stabilität zu bewegen», sagte der Ökonom Timothy Ash von der Standard Bank.
Erfolg für Jobbik-Partei
Anlass zur Sorge gab das starke Abschneiden der antisemitischen Jobbik-Partei bei der Parlamentswahl. Sie bekam 20,6 Prozent der Stimmen – vier Prozentpunkte mehr als 2010. Doch zeigte sich Jobbik-Chef Gabor Vona «zutiefst ernüchtert» über das Ergebnis.
Jüdische Würdenträger waren alarmiert. «Die Zugewinne für Jobbik, einer schamlosen Neonazi-Partei, sollten ein Weckruf für ganz Europa sein», sagte der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, Mosche Kantor. «Das ist wahrlich ein schwarzer Tag für Ungarn.» Rechtsextreme Parteien in ganz Europa gingen nun mit einem «starken Rückenwind in die EU-Parlamentswahlen» im Mai.
«Ungerechtes Wahlsystem»
106 Sitze werden in den Wahlkreisen nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben, nur bei den übrigen 93 Sitzen kommt es auf den landesweiten Stimmenanteil nach dem Verhältniswahlrecht an. Für den Gesamtsieger der Wahl gibt es zudem Bonus-Mandate, der Zuschnitt der Wahlkreise wurde zu Ungunsten der Opposition verändert.
«Das Wahlsystem ist ungerecht», beklagte der frühere Regierungschef Gordon Bajnai, eine der Führungsfiguren der linken Opposition. «Es ist, als liefe die Fidesz ein 100-Meter-Rennen und die Opposition 400 Meter Hürden.»
Rund acht Millionen Menschen waren in dem EU-Land dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Um die 199 Sitze in der deutlich verkleinerten Volksvertretung bewarben sich 18 landesweite Parteilisten und 1554 Einzelkandidaten.
Bedenken in der EU
Stimmberechtigt waren auch Ungarn im Ausland, allein rund 120'000 in Rumänien und der Slowakei. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsandte eine Beobachtermission. Sie äusserte im Vorfeld Bedenken angesichts der Wahlrechtsreform und angesichts der Zusammensetzung der siebenköpfigen Wahlkommission, die nur aus Fidesz-Mitgliedern besteht.
Mit demokratie- und marktpolitisch bedenklichen Gesetzen hatte die Regierung Orban in den letzten Jahren wiederholt Besorgnisse in der EU ausgelöst. So gab Orban der von ihm abhängigen Medienbehörde mehr Möglichkeiten zur Gängelung von Fernseh- und Radioanstalten.
Die ungarische Notenbank ist faktisch nicht mehr unabhängig von der Regierung. Die neue Verfassung bindet künftigen Regierungen in der Steuer- und Rentenpolitik die Hände.
Bei den bisher sechs Wahlen seit der demokratischen Wende 1989/90 ist es in Ungarn erst einmal einer Regierung gelungen, nicht abgewählt zu werden. Der links-liberalen Koalition unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany gelang 2006 die Wiederwahl, um vier Jahre später von den Wählerinnen und Wählern besonders hart abgestraft zu werden. Auch Orban traf 2002 bereits einmal das Schicksal einer Abwahl.
AP/sda/ldc/wid/chk
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch