Dieser Schweizer gilt als weltbester Hockey-Junior
Nico Hischier könnte im NHL-Draft zur ersten Nummer 1 aus der Schweiz werden. Was macht den hochbegabten Walliser aus?
So leicht lässt sich Nico Hischier (18) nicht aufs Glatteis führen. Auf die Frage, welches Trikot er sich überstreifte, wenn er in den letzten Wochen vom NHL-Draft träumte, jenes von New Jersey oder Philadelphia, sagt er: «Ich habe noch nie vom Draft geträumt. Ich träume ohnehin selten.» Und dann fügt er seinen Standardsatz an: Er werde ohnehin glücklich sein, ob er als Nummer 1 oder Nummer 2 berücksichtigt werde.
Okay, der Mann, pardon, Teenager, hat Erfahrung im Frage-und-Antwort-Spiel. Der 18-Jährige, der als weltbester Eishockeyjunior seiner Alterskategorie gehandelt wird, war die letzten Monate so gefragt, dass Vater Rino eine Berner PR-Agentur engagierte, um die Interviewanfragen zu koordinieren. Und sein Sohn wurde als «Federer des Eishockeys» («Schweiz am Wochenende») oder «Wunderbüob» («SonntagsBlick») tituliert.
Klar ist schon vor dem Draft, der in der Nacht auf Samstag (MEZ) in Chicago über die Bühne geht: So früh wie Hischiers Rechte sicherte sich noch kein NHL-Club die eines Schweizers. Der am höchsten Eingestufte war Nino Niederreiter, den die New York Islanders 2010 als Nummer 5 drafteten. Bei Hischier ist die Frage nur noch: Wird sein Name als Erster oder Zweiter ausgerufen?
Mit einem Esslöffel Genialität
Niederreiter und Hischier könnten unterschiedlicher kaum sein. Der Churer, inzwischen in Diensten Minnesotas, ist ein wuchtiger Flügelstürmer nordamerikanischer Prägung. Hischier ist ein Spielmacher mit einer Prise, nein, einem Esslöffel Genialität. Er ist der Gretzky aus Naters. Einer, der die Entwicklung des nächsten Spielzugs viel früher erahnt als die anderen und die feinen Hände und schnellen Beine hat, um daraus Profit zu schlagen.
Ein Werbevideo für den Hoffnungsträger: Die Halifax Mooseheads drehten mit Hischier einen Spot.
Was aber nicht heisst, dass er nicht kräftig wäre. Als sich vor drei Wochen die grössten Talente auf Geheiss der NHL in Buffalo versammelten und auf Herz und Nieren geprüft wurden, schaffte er 13 Klimmzüge. Probieren Sie das einmal beim nächsten Vitaparcours. Nolan Patrick, sein Konkurrent um die Topposition im Draft, konnte sich 11-mal an der Stange hochziehen. Dafür gelangen dem Kanadier im Bankdrücken mit 70 Prozent des Körpergewichts 12 Wiederholungen, Hischier 7.
Patrick startete als unangefochtene Nummer 1 in die Saison, doch der Walliser rückte ihm immer näher. Weil Patrick die halbe Saison wegen Leistenproblemen verpasste und Hischier bei Halifax in der Québec Major Junior Hockey League und an den U-18- und U-20-Weltmeisterschaften brillierte. Gerne hätte er sich auch noch einen Platz im Schweizer WM-Team in Paris erkämpft, doch bei Swiss Icehockey entschied man, dass 93 Saisonspiele genug seien für das Ausnahmetalent. «Man sagte mir, ich sollte mich auf ein gutes Sommertraining konzentrieren», so Hischier. «Und natürlich war ich müde.» So ging seine Reise auf die Ferieninsel Ischia statt an die Seine.
Es wäre interessant gewesen, ihn im Team von Patrick Fischer zu sehen. Niederreiter bestritt 2010 mit 17 seine erste A-WM, war damals allerdings vom internationalen Tempo noch überfordert. Auston Matthews war 2016 nach seiner ZSC-Saison an den Titelkämpfen in Moskau mit 18 bereits die treibende Kraft bei den USA, dessen Draftkonkurrent Patrik Laine wurde sogar zum wertvollsten WM-Spieler gewählt. Matthews wurde dann trotzdem die Nummer 1 im Draft – wohl auch, weil er als Nordamerikaner einen leichten Bonus genoss.
«Als Mensch bin ich easy going. Einer, der mit anderen gut auskommt, offen ist und hilfsbereit. Und ehrgeizig.»
Hischier hat gegenüber Laine, der 2015/16 noch in Tampere spielte, den Vorteil, dass er in Halifax von den Talentspähern täglich beobachtet werden konnte. Hätte er im vergangenen Jahr den Sprung vom SC Bern nach Übersee nicht gewagt, er würde nicht so hoch gehandelt. «Das ist ganz sicher so», bestätigt er. «In den kanadischen Juniorenligen hat es viel mehr Scouts. Das war aber nicht der Grund für meinen Wechsel. Ich wollte mich als Hockeyspieler und menschlich entwickeln. Und schauen, wie es so ist in Kanada.» Aber natürlich sei es ein schöner Nebeneffekt, dass er bewiesen habe, dass er gut zurechtkomme mit dem Spiel auf den kleineren Eisfeldern und einer höheren Anzahl von Spielen.
Auf den Listen der zahlreichen Experten figurieren Hischier und Patrick nun wahlweise als Nummer 1 oder 2. Das Central Scouting Bureau der NHL stufte den Kanadier in seiner finalen Einschätzung immer noch leicht höher ein. Dem «Tages-Anzeiger» liegen die detaillierten Bewertungsblätter beider Talente vor. Dabei kommt Patrick in den sechs Kategorien auf die Summe von 54,44 Punkten, Hischier auf 54,02. Das Maximum wären sechsmal zehn Punkte, also 60.
Fast Bestnote in Hockey-IQ
Der Schweizer ist in vier Kategorien besser: punkto Laufen (9 zu 8,94), Wettkampfhärte (9,53 zu 9,41), Defensivspiel (8,79 zu 8,57) und Hockey-IQ (9,6 zu 9,47). Patrick liegt bei der Puckführung 9,45 zu 9,25) leicht voraus und macht den Unterschied beim Körperspiel (8,6 zu 7,85). Mit 1,89 Metern und 90 Kilo hat er Gardemasse – er ist fünf Zentimeter grösser und neun Kilo schwerer als Hischier. Weil Patrick körperlich reifer ist, sehen viele beim Schweizer aber das grössere Entwicklungspotenzial.
Highlights des Wunderkindes: Tore aus der Canadian Hockey League und mit dem Nationalteam
Und wie schätzt sich Hischier, der in Buffalo von den Vertretern von einem Dutzend NHL-Clubs inteviewt wurde, selbst ein? «Als Mensch bin ich easy going. Einer, der mit anderen gut auskommt, offen ist und hilfsbereit. Und ehrgeizig.» Und was ist seine grösste Stärke auf dem Eis? «Dass ich das Spiel gut lesen kann, oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin.» Leicht verlegen fügt er an: «Man sagt, dass man das nicht lernen kann. Man hat es oder nicht.» In der Fahrprüfung, die diesen Sommer auch noch ansteht, dürfte er im dichten Verkehr kaum die Orientierung verlieren.
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