Die Widerspenstige
Ihr halbes Leben lang hat Penelope auf ihren Mann Odysseus gewartet. Wie sähe ihr Alltag heute aus? Dieser Frage geht der Regisseur Elmar Goerden im Stück «Penelope» nach.

Geschlagene zwanzig Jahre ist Odysseus unterwegs, als ihm die Götter endlich wieder milde gesinnt sind und ihn nach seiner Irrfahrt mit dem Schiff nach Hause segeln lassen. Hätte er auf der Heimreise vom Trojanischen Krieg mal nur nicht den Meeresgott Poseidon erzürnt, der ihn zur Strafe auf einen zehnjährigen Umweg schickte.
Doch nicht für nur den Helden aus Homers «Odyssee» hat der göttliche Zorn Konsequenzen. Zu den Leidtragenden der Geschichte gehört ebenso Penelope, Odysseus' Frau, die fast ein Vierteljahrhundert ohne Nachricht von ihrem Mann zu Hause ausharrt und doch die Hoffnung nicht aufgibt, er würde eines Tages wieder im Türrahmen stehen. Und obwohl sie von Freiern belagert wird, bleibt sie Odysseus bis zum Schluss treu – während sich dieser auf Reisen mit der Zauberin Kirke vergnügt, wohlgemerkt.
Höchste Zeit also, dieser scheinbaren Nebenfigur mehr Aufmerksamkeit zu schenken, fand der deutsche Regisseur und frühere Intendant des Bochumer Schauspielhauses Elmar Goerden. Für Konzert Theater Bern (KTB) hat er das Stück «Penelope» geschrieben, das er auch gleich selbst inszeniert. Allerdings nicht als antike Sage, sondern als modernes Kammerspiel, bei dem Homers Vorlage als Blaupause gedient hat.
Heimische Konflikte
Wie realistisch es heute noch ist, dass ein Familienmitglied zwanzig Jahre lang verschollen bleibt, spielt für Goerden dabei keine Rolle. Vielmehr hat ihn beim Schreiben von «Penelope» interessiert, wie der Alltag einer Person aussieht, die die Gegenwart ständig vertagt. Aus welchem Grund bleibt zweitrangig. «Penelope spart sich fast ihr halbes Leben für etwas auf, das nicht eintrifft.» Eine Situation, die uns sinnbildlich gesehen näher sei, als wir glaubten. «Ich kenne zum Beispiel Leute, die 20 Jahre lang einer gescheiterten Ehe hinterhertrauern.»
Anders als bei Homer liegt der Schatten des abwesenden Vaters nun aber auf einer ganzen Familie. Goerden hat Penelope nicht nur einen Sohn wie im Original, sondern auch noch eine Tochter zur Seite gestellt. Zu dritt lebt die Kleinfamilie unter einem Dach, was wie oft bei Dreieckskonstellationen einiges an Konfliktpotenzial birgt. Das hat allerdings auch mit der Frau des Hauses zu tun: Goerdens Penelope ist eine verkauzte Mutterfigur mit eigentümlichem Humor und überhaupt einer sozial nur wenig verträglichen Art.
Von ungefähr kommt das nicht. «Mir ging es darum, die Frauengestalt im Stück von der Opferrolle zu befreien und sie als waches, agierendes Subjekt zu zeigen», sagt Goerden. Als eine Widerspenstige, die sich weigert, mürbe zu werden. Was wiederum für die erwachsenen Kinder, die nun für ihre Mutter sorgen müssen, nicht nur einfach ist. In diesem heimischen Spannungsverhältnis siedelt Goerden sein Drama an, das er deshalb auch als Familienstück versteht.
Um dafür die passenden Schauspieler aus dem KTB-Ensemble zu finden, hat sich Goerden im Vorfeld Produktionen am Berner Stadttheater angesehen. Denn hierher gekommen ist er erst mal nur mit einer Skizze. Als das Bühnenpersonal dann feststand, ging es schnell. «Es hat meine Arbeit enorm befördert, als ich wusste, für wen ich eigentlich schreibe.» Inspiriert scheint Goerden auch von der griechischen Mythologie: In der nächsten Spielzeit wird er am Stadttheater voraussichtlich einen weiteren antiken Stoff auf die Bühne bringen.
Vidmar 1 Sa, 25. 2., 19.30 Uhr. Bis 14. Juni.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch