Mamablog: Plötzlich Witwe«Die Trauer kommt in Wellen»
Auch wenn sie kaum sichtbar sind, es gibt sie doch: Witwen mit kleinen Kindern. Unsere Autorin hat mit einer von ihnen gesprochen – über Trauer, Hilfe und überforderte Mitmenschen.

Wie ergeht es Müttern, die zugleich Witwen sind und jede Sekunde ihres Alltags mit dem ungebetenen Gast namens Trauer leben müssen? Und: Was wünschen sie sich von ihrem Umfeld? M. (Name der Redaktion bekannt), Mutter einer elfjährigen Tochter und eines sechsjährigen Sohnes, gibt Antworten. Ihr Mann ist im Mai letzten Jahres an Krebs gestorben. «Kurz vor Weihnachten 2021 spürte er, dass etwas nicht stimmte. Im Januar 2022 erhielt er die Diagnose Krebs. Dann ging alles sehr schnell. Der ganze Frühling war wie eine Achterbahnfahrt und wir hofften bis zuletzt», sagt M.
Was gibt Ihnen heute Kraft, Ihr Leben zu leben?
Unsere Kinder. Für sie gebe ich jeden Tag mein Bestes. Klar, das gelingt nicht immer. Dann sage ich zu mir, dass ich alles mache, was ich kann, und weiterhin versuche, mein Bestes zu geben. Auch probiere ich trotz aller Schwierigkeiten, Möglichkeiten zu sehen. «Schritt für Schritt» ist mein Motto, seit mein Mann gestorben ist.
Was war ganz am Anfang als Witwe schwierig?
Beide Kinder hatten drei bzw. vier Wochen nach dem Tod meines Mannes Geburtstag. Mir war es wichtig, dass die Trauerfeier noch vor ihren Geburtstagen stattfinden konnte. Denn ich wollte, dass die Kinder trotz der Trauer ihre Geburtstage feiern konnten und an diesem Tag Freude erleben. Klar, weinen und trauern ist sehr wichtig und dafür muss man sich auch Zeit nehmen. Gleichzeitig muss man auch weiterleben und freudige Momente geniessen können.
Stirbt ein Mensch, fällt auch immer viel Administration an – wie war das für Sie?
Da gab es wahnsinnig viel zu erledigen. Mein Mann war im Ausland angestellt und ich musste deswegen verschiedene Länder kontaktieren. Gewisse Sachen beschäftigen mich bis heute.
Haben Sie in der Anfangszeit als Witwe etwas erlebt, das Sie – trotz allem Schwierigen – positiv berührt hat?
Alle Zeichen von Freunden, Nachbarn, Bekannten, Verwandten, Kollegen und des Arbeitgebers meines Mannes waren viel wert.
«Unterstützung zu spüren, tut gut.»
Zeichen?
Wenn mich jemand per Zufall gesehen und extra angehalten hat, um mir sein Beileid auszudrücken. Und natürlich alle Karten, die wir von Nachbarn, Freundinnen, Bekannten und von Eltern der Schulkameraden der Kinder bekommen haben. Vor dem Tod meines Mannes war mir nicht bewusst, wie viel zum Beispiel eine Karte bedeuten kann. All diese Zeichen haben uns sehr geholfen, die Trauer zu tragen.
Meistens ist das Umfeld überfordert, wie es mit den Hinterbliebenen umgehen soll – darum: Was gibt es aus ihrer Sicht für «Dos»?
Unterstützung zu spüren, tut gut.
Das heisst?
Wir haben zum Beispiel selbst gebackenes Brot und Blumen bekommen. Oder praktische Hilfe beim Rasen mähen, Räder wechseln und auch mit der ganzen Administration. Meine Familie ist aus dem Ausland gekommen, hat mit uns gewohnt, gekocht und mit den Kindern gespielt. Ohne unsere Freunde und Familie wäre alles viel schwieriger gewesen. Oft musste ich gar nicht erst um Hilfe bitten. Freunde haben sich in einer WhatsApp-Unterstützungsgruppe organisiert und mich gefragt, wobei ich Hilfe brauche. Für all dies bin ich unendlich dankbar.
Was gibt es aus Ihrer Sicht für «Don’ts»?
Wenn jemand, der weiss, dass mein Mann gestorben ist, nicht mit mir darüber spricht. Das fühlt sich an, als wäre alles wie immer und nichts sei passiert. Das ist für mich komisch und schwierig. Bisher ist das aber nicht oft vorgekommen.
«Sprich mit den Kindern schon vor dem Tod über den Tod.»
Wie erleben Sie die Trauer?
Sie kommt in Wellen. Nach Weihnachten war es mir für ein paar Tage nicht möglich, etwas zu tun oder zu erledigen. Ich dachte, okay, Mama kann jetzt diese drei Tage nicht viel machen, das ist wie bei einer Grippe. Aber jetzt ist es die Trauer. Das darf sein.
Was würden Sie einer Mutter mit minderjährigen Kindern raten, deren Mann schwer krank ist?
Hol dir Hilfe und sprich mit den Kindern schon vor dem Tod über den Tod.
Zum Beispiel?
Als mein Mann krank war, hatte ich keine Zeit, zu einer Psychologin zu gehen. Die Kinder jedoch waren beim Kinderpsychiater und Schulsozialarbeiter. Nach dem Tod meines Mannes bin auch ich in eine Therapie gegangen. Ich glaube, dass es meinen Kindern nun bei der Verarbeitung hilft, dass sie bereits während der Krankheitszeit ihres Vaters wussten, dass es nicht sicher ist, ob Papi überlebt.
Kennen Sie andere Mütter und Väter, die ein ähnliches Schicksal zu tragen haben?
Ja, dank «Aurora». Das ist ein Verein für Verwitwete mit minderjährigen Kindern. Wir unterstützen, beraten und begleiten uns gegenseitig. Manchmal unternehmen wir auch etwas miteinander – zusammen mit den Kindern oder auch mal ohne.
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