Die Top-Posten gehen an Frankreich und Grossbritannien
Die Würfel im EU-Kommissionspoker sind gefallen: Der Brite Jonathan Hill übernimmt die Finanzen, neuer Wirtschaftskommissar wird der Franzose Pierre Moscovici. Aus Deutschland kommt heftige Kritik.

EU-Kommissare aus Frankreich, Grossbritannien und Deutschland werden in Brüssel künftig wirtschaftspolitische Schlüsselressorts leiten. Wie der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mitteilte, wird der französische Sozialist und ehemalige Finanzminister Pierre Moscovici neuer Wirtschaftskommissar und damit auch zuständig für Haushaltsdisziplin. Der britische Konservative Jonathan Hill soll für Finanzdienste und Stabilität zuständig sein und der CDU-Politiker Günther Oettinger für Digitalwirtschaft. Der 60-Jährige war bisher in Brüssel für Energiepolitik zuständig.
Der frühere finnische Regierungschef Jyrki Katainen wird Kommissar für Beschäftigung und Arbeit, die bisherige schwedische Innenkommissarin Cecilia Malström erhält das Ressort Handel und die Dänin Margrethe Vestager wird Kommissarin für Wettbewerb. Das Ressort Klima und Energie geht an den ehemaligen spanischen Landwirtschaftsminister Miguel Arias Cañete.
Neuer Posten geschaffen
Neu geschaffen wird der Posten eines ersten Vize-Präsidenten der Kommission, den der bisherige niederländische Aussenminister Frans Timmermanns erhält. Er soll nach Angaben der Kommission ressortübergreifend für eine effiziente EU-Gesetzgebung sorgen und zugleich über die Einhaltung der EU-Grundrechtecharta wachen. Als neue EU-Aussenbeauftragte war bereits Ende August die 41 Jahre alte derzeitige italienische Aussenministerin Federica Mogherini nominiert worden.
Insgesamt wird es in der Brüsseler Kommission wie bisher sieben Vizepräsidenten geben. Deren Rolle wird allerdings verstärkt: Sie sollen als Koordinatoren grosse Projekte leiten, für die mehrere Kommissare zuständig sind - etwa das geplante Investitionsprogramm in Höhe von 300 Milliarden Euro, die angestrebte Energieunion oder den Ausbau des Internets.
Unter den 28 Kommissaren sind neun Frauen, genauso viele wie bisher. 15 Kommissare stehen politisch rechts oder Mitte-rechts, fünf gehören dem liberalen und acht dem sozialistischen Lager an.
Fragerunde steht bevor
Frankreichs Anspruch auf den einflussreichen Posten des Wirtschaftskommissars war bereits vorab vor allem in Deutschland auf Kritik gestossen - zumal Moscovici als Finanzminister das französische Haushaltsdefizit nicht unter Kontrolle bekommen hatte. Wie alle anderen Kandidaten muss sich der Franzose vor seiner Ernennung einer Anhörung im Europaparlament stellen. Dort haben Mitglieder des Währungsausschusses bereits Bedenken gegen ihn angemeldet.
Die Anhörungen in den einzelnen Ausschüssen sollen nach bisheriger Planung in der letzten Septemberwoche beginnen. Die Abgeordneten wollen dabei die Kompetenz der Anwärter für ihre jeweiligen Aufgaben prüfen.
Während der am 20. Oktober beginnenden Plenarsitzung in Strassburg wird dann das Europaparlament über die Ernennung der gesamten Kommission abstimmen. Kommissionspräsident Juncker war vom Europaparlament bereits Mitte Juli mit deutlicher Mehrheit bestätigt worden. Die Zustimmung der EU-Volksvertretung ist notwendig, damit Juncker und seine Mannschaft wie geplant im November den Dienst antreten können.
Die neue EU-Kommission im Überblick
- JEAN-CLAUDE JUNCKER (Luxemburg): Luxemburgs längjähriger Regierungschef ist Präsident der neuen Kommission. Der 59-Jährige hat versprochen, die EU-Bürokratie zu entschlacken und den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit zu intensivieren.
- GÜNTHER OETTINGER (Deutschland): In den vergangenen fünf Jahren war der CDU-Mann Energiekommissar. Jetzt wird er das Ressort Digitale Wirtschaft und Gesellschaft verantworten - zu den Vizepräsidenten der Kommission gehört er nicht.
- FEDERICA MOGHERINI (Italien): Die 41-jährige italienische Aussenministerin ist künftig Europas Stimme in der Welt. Sie erhält den Posten der EU-Aussenbeauftragten und ist damit auch eine Vizepräsidentin der Kommission.
- FRANS TIMMERMANS (Niederlande): Der bisherige Aussenminister darf sich erster Vizepräsident nennen. Die Vizepräsidenten sollen die Arbeit ihrer Kollegen koordinieren und haben dafür übergreifende Ressorts erhalten. Timmermans verantwortet die Bereiche Bessere Regulierung, interinstitutionelle Beziehungen, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte.
- KRISTALINA GEORGIEVA (Bulgarien): Die bisherige Kommissarin für humanitäre Hilfe wird Vizepräsidentin für Haushalt und Personal.
- ANDRUS ANSIP (Estland): Estlands früherer Regierungschef ist neuer Vizepräsident für den digitalen Binnenmarkt und damit auch für die Koordinierung von Oettingers Arbeit zuständig.
- ALENKA BRATUSEK (Slowenien): Als Ministerpräsidentin ihres Landes hatte Bratusek mit maroden Banken zu kämpfen. Jetzt ist sie Vizepräsidentin für die Energie-Union.
- VALDIS DOMBROVSKIS (Lettland): Dombrovskis war vier Jahre Regierungschef. In Brüssel wird er nun Vizepräsident für den Euro und Sozialen Dialog.
- JYRKI KATAINEN (Finnland): Der Ex-Regierungschef übernimmt den Posten des Vizepräsidenten für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit.
- PIERRE MOSCOVICI (Frankreich): Besonders aus Deutschland hatte es Kritik an der Forderung aus Paris gegeben, «Mosco» zum neuen Wirtschaftskommissar zu machen. Nun wird er tatsächlich Wirtschafts- und Währungskommissar und zugleich zuständig für Steuern und Zollunion.
- JONATHAN HILL (Grossbritannien): Der bisherige Vorsitzende der Konservativen im britischen Oberhaus ist nun Kommissar für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Union der Kapitalmärkte.
- CECILIA MALMSTRÖM (Schweden): Als Innenkommissarin bemühte sich Malmström um eine neue europäische Flüchlingspolitik. Sie wird Handelskommissarin.
- JOHANNES HAHN (Österreich): Der Konservative war bisher Regionalkommissar und verantwortet künftig die Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen.
- MARGRETHE VESTAGER (Dänemark): Die bisherige dänische Finanzministerin wird Wettbewerbs-Kommissarin.
- ELZBIETA BIENKOWSKA (Polen): Polens bisherige Vize-Regierungschefin hat den Posten der Kommissarin für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und den Mittelstand erhalten.
- MARIANNE THYSSEN (Belgien): Die Christdemokratin erhält das Portfolio Beschäftigung Soziale, Fähigkeiten und Arbeitsplatz-Mobilität.
- MIGUEL ARIAS CAÑETE (Spanien): Der Konservative war bis zum Frühjahr Landwirtschaftsminister. Nun befasst er sich mit Klimaschutz und Energie.
- DIMITRIS AVRAMOPOULOS (Griechenland): Der Grieche wechselt vom Posten des Verteidigungsministers in das Amt des EU-Kommissars für Migration und Inneres.
- PHIL HOGAN (Irland): Der bisherige Umweltminister wird Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.
- VYTENIS ANDRIUKAITIS (Litauen): Der Ex-Gesundheitsminister verantwortet Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
- CORINA CRETU (Rumänien): Die bisherige Europaabgeordnete wird Kommissarin für Regionalpolitik.
- VERA JOUROVA (Tschechische Republik): Die Tschechin wechselt aus dem Ministerium für Regionalentwicklung in das Amt der Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Geschlechter-Gleichstellung.
- NEVEN MIMICA (Kroatien): Nachdem Mimica zuletzt Verbraucherschutzkommissar war, bekommt er jetzt das Ressort für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung.
- MAROS SEFCOVIC (Slowakei): Der Slowake wird vom Verwaltungskommisar zum Verkehrs- und Weltraum-Kommissar.
- CARLOS MOEDAS (Portugal): Der bisherige Staatssekretär wird Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation.
- TIBOR NAVRACSICS (Ungarn): Ungarns Aussenminister wird Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Bürgerschaft.
- CHRISTOS STYLIANIDES (Zypern): Der Europaabgeordnete kümmert sich künftig um Humanitäre Hilfe und Krisenbewältigung.
- KARMENU VELLA (Malta): Der frühere Minister wird Kommissar für Umwelt, maritime Angelegenheiten und Fischerei.
AFP
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