Die Schweizer Wirtschaft strampelt am Abgrund
Die Weltwirtschaft ist eingebrochen. In der Schweiz spürt man das noch kaum. Doch die Krise erreicht unser Land.
Krise? Welche Krise? Wer jetzt noch Weihnachtseinkäufe tätigen muss und sich durch Menschentrauben in überfüllten Warenhäusern und Shoppingcenters zwängt; wer für seine Lieben ein Festtagsmahl kochen will und jetzt in Delikatessenabteilungen um das letzte Stück Lachs oder Filet Bourginon kämpft, der hat Mühe zu begreifen, dass wir uns mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg befinden. Nicht verarmte Arbeitslose oder bettelnde Kinder prägen das Strassenbild, sondern üppig strahlende Weihnachtsdekorationen und unverhüllt zur Schau gestellter Luxus. Ist die Krise also einmal mehr von einer auf Schlagzeilen geilen Presse herbeigeschrieben worden?
Nicht ganz. Führen wir uns den Ablauf der Krise nochmals im Schnelldurchgang vor Augen: Zuerst platze die Immobilienblase in den USA, dann gaben verschiedene Banken Abschreibungen in Milliardenhöhe bekannt, dann mussten Wallstreet-Banken gerettet werden (Bear Stearns), dann liess man Geldinstitute fallen (Lehman Brothers), daraufhin raste ein Finanz-Tsunami um den Globus, der verschiedene Staaten zwang, Banken mit Notkrediten zu unterstützen und das internationale Finanzsystem vor dem Kollaps zu retten.
Eine unglaubliche Wohlstandsvernichtung
Das alles hat zu einer unglaublichen Wohlstandsvernichtung geführt. Aktienkurse haben sich halbiert, Immobilienpreise rasseln in den Keller. Insgesamt werden die Verluste weltweit auf gegen 6000 Milliarden Dollar geschätzt, das entspricht rund dem Zwölffachen des Schweizer Bruttoinlandprodukts.
Diese Vermögensvernichtung zeigt Folgen in der realen Wirtschaft: Die Autoindustrie, global nach wie vor die wichtigste überhaupt, liegt am Boden, weil keine Neuwagen mehr gekauft werden. Nicht nur die drei maroden US-Hersteller aus Detroit sind in Nöten, selbst der Klassenprimus Toyota stoppt neue Produktionsanlagen und rechnet neuerdings mit einem Betriebsverlust.
Wir leben vom Arbeitsvorrat
Schön und gut, aber weshalb merken wir nichts davon? Weil die Schweiz von dieser Entwicklung mit Verzögerung betroffen wird. Firmen wie ABB haben noch einen grossen Auftragsbestand, den sie abarbeiten können. Die Banken haben bisher vor allem in New York und London Mitarbeitende entlassen, weil sie dort das von der Krise am meisten geschüttelte Investmentbanking betreiben. Die Situation der Schweiz kennen wir bestens aus Trickfilmen: Wir sind mit der Weltwirtschaft über den Abgrund gerast, rennen aber noch in der Luft weiter und haben es deshalb noch nicht realisiert.
Leider ist die Situation alles andere als lustig. Die Krise ist real und hat schon weite Teile Europas erfasst. Das zeigt eine Umfrage der «Financial Times». Jorma Ollila, Verwaltungsratspräsident von Nokia und Shell, spricht von einer Verschlechterung der Situation, «wie ich sie noch nie erlebt habe». Elga Bartsch, Chefökonomin von Morgan Stanley sieht «sehr viel Restrukturierungen auf Europa» zu kommen. Diether Klingenberg, deutscher Werkzeugmaschinen-Hersteller ist mehr als verängstigt: «Die Geschwindigkeit und Heftigkeit dieses Abschwungs ist Schwindelerregend.» In Italien pfeift die Textilindustrie auf dem letzten Loch und in Frankreich brechen selbst die Weinexporte ein.
Budgetkürzungen, Kurzarbeit, erste Entlassungen
Die Krise wird auch die Schweiz erfassen. Die Textilmaschinenhersteller und Autozulieferer bekommen es bereits zu spüren. In allen Unternehmen werden eilig Budgets zusammengestrichen, Pläne für Kurzarbeit erstellt oder selbst Entlassungen diskutiert. Das alles sind keine Trockenübungen, einer weltweiten Krise wird sich das Exportland Schweiz nicht entziehen können.
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