Die No-Billag-Initiative war eine Bieridee
Der Jungfreisinnige Yves Collet hatte den Einfall zur No-Billag-Initiative – bei einem Bier mit zwei Kollegen. Mittlerweile hat er keine Zeit mehr für Politik.

Sie hatten keine Traktanden mehr, als sie an jenem Abend im November 2013 in Zürich vor dem Restaurant Outback beim Bahnhof Stadelhofen an einem Tisch sassen: Yves Collet, Florian Maier und Christian Zulliger, damals zwischen 18 und 25 Jahre alt. Davor hatten sie an einer Vorstandssitzung der Jungfreisinnigen des Kantons Zürich teilgenommen, im Zentrum Karl der Grosse im Niederdorf. Nun waren sie auf dem Heimweg, der eine musste nach Winterthur, der andere ins Weinland, der dritte ins Säuliamt. Da bot sich ein letztes Bier am Bahnhof Stadelhofen an, verbunden mit einer informellen Diskussion darüber, wie man das Leben der Schweizerinnen und Schweizer verbessern könnte.
«Das Naheliegendste in solchen Diskussionen ist die Abschaffung der Biersteuer», sagt Maier heute scherzhaft. Doch Collet, der Winterthurer, hatte eine andere Idee: «Eigentlich müsste man die Billag-Gebühr abschaffen», sagte er. Die anderen fanden das gut. Als Studenten hatten sie mit der Billag bereits Erfahrungen gemacht.
«In meiner Studentenwohnung in St. Gallen hatte ich weder Radio noch Fernsehen.»
Vor allem Yves Collet, der damals an der Hochschule St. Gallen studierte: «Mein Hauptwohnsitz war in Winterthur bei meinen Eltern. In meiner Studentenwohnung in St. Gallen hatte ich weder Radio noch Fernsehen und auch keine Zeit, es zu konsumieren.» Gleichwohl habe der Billag-Kontrolleur nicht locker gelassen, sagt Collet. «Er kam wohl jeden Monat einmal vorbei.»
Lange kaum beachtet
Es war die Geburtsstunde einer Initiative, die zunächst wenig beachtet worden war – aber jetzt, vier Jahre später, die ganze Schweiz in Atem hält. Die Jungfreisinnigen Collet, Maier und Zulliger verabschiedeten sich damals nach einer Runde Bier in der Raucherecke mit der gegenseitigen Zusicherung, das Projekt voranzutreiben.
Zuerst beugten sie sich über die Verfassungsbestimmungen zu Radio und Fernsehen, dann erstellten sie mithilfe eines Rechtsexperten den Initiativtext. Obwohl ein Ja zu ihrem Volksbegehren die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft in der jetzigen Form abschaffen würde, betonen die Initianten, sie hätten nie gegen die SRG vorgehen wollen, sondern nur gegen die Gebührenpflicht, gegen den «ärgerlich hohen, gebundenen Betrag» pro Haushalt und Jahr. Sie sagen es in Abgrenzung zu anderen Akteuren, die damals Unterschriften gegen die Billag und die SRG gesammelt haben. Deren Volksbegehren sind jedoch im Sammelstadium gescheitert.
Bilder: Stimmen zur No-Billag-Initiative aus dem Parlament
«Das Angebot der SRG finde ich teilweise sehr gut, und ich würde wohl sogar 100 Franken pro Jahr für ein Tagesschau-Abonnement bezahlen», sagt Yves Collet. Doch der Verfassungsauftrag, flächendeckend viersprachig zu informieren und zu bilden, hält er für nicht mehr zeitgemäss. «Fernsehen ist heute kein Massenmedium mehr und hat demokratiepolitisch nicht mehr dieselbe Bedeutung wie damals, als man den Verfassungsartikel gemacht hat.»
Über die sozialen Medien suchten Collet, Maier und Zulliger Verbündete und organisierten Treffen in Winterthur. Olivier Kessler, der später zum Gesicht der Initiative werden sollte, stiess in dieser Zeit, Anfang 2014, zur Gruppe. Yves Collet hatte ihn bereits vom Studium in St. Gallen gekannt. «Wir waren nicht immer derselben Meinung», sagt Collet. «Aber mich hat es beeindruckt, wie Olivier Kessler für seine Überzeugungen einsteht, auch wenn er dafür in universitären Kreisen teilweise harsch kritisiert wurde.»
«Die wichtigste Erkenntnis seit der Lancierung der Initiative ist für mich: Ein Einzelner kann etwas bewirken.»
10'000 Facebook-Likes innert kurzer Zeit ermutigten die Gruppe, eine Volksinitiative zu lancieren. Olivier Kessler wurde Co-Präsident des Initiativkomitees, zusammen mit anderen Jungfreisinnigen. Warum nicht Yves Collet, der ursprüngliche Ideengeber? Er sagt: «Es ging uns weniger um die Personen. Wir haben uns überlegt, welches Vorgehen am besten ist, was Zeitbudget und Know-how betrifft.»
Erstaunt über die SRG-Führung
Der geistige Vater der Volksinitiative hatte bald keine Zeit mehr für politisches Engagement. Er hat zunächst als Wirtschaftsprüfer bei PricewaterhouseCoopers gearbeitet, heute ist er bei der Grossbank UBS angestellt. Der inzwischen 30-Jährige hat sich zwar aus Zeitgründen aus der Politik zurückgezogen, doch über Medien diskutiert er immer noch gerne. Yves Collet sagt im Gespräch, welche Artikel und Sendungen er konsumiert, und macht Vorschläge für Geschäftsmodelle, welche die SRG versuchen könnte, wenn sie keine Gebührengelder mehr erhielte.
Dass Bundesrat und Parlament so kompromisslos auf die Initiative reagierten, habe ihn erstaunt, sagt Collet. Doch für das Anliegen sei es besser so: «Nun gibt es eine einfache Frage und eine ehrliche Antwort.» Erstaunt habe ihn auch, dass es für die SRG-Verantwortlichen keinen Plan B zu geben scheint. «Ein Verwaltungsrat, der aufgibt, bevor er es versucht hat – in welchem Unternehmen gibt es denn so etwas?»
Video: So zerpflückte Leuthard die No-Billag-Initiative
Yves Collets Name figuriert auf der Liste des Initiativkomitees weit unten, unauffällig. Im Kernteam ist er nicht vertreten. Dafür haben sich Gleichgesinnte aus vielen politischen Lagern hinzugesellt, etwa der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod, der Basler SVP-Nationalrat Sebastian Frehner, «Weltwoche»-Redaktor Florian Schwab und der Bündner Naturheilpraktiker Daniel Trappitsch, der mit dem Kampf gegen das Tierseuchen- und das Epidemiengesetz bekannt geworden ist.
In Verlegenheit gebracht
Die Jungparteien von SVP und FDP, welche den Abstimmungskampf für die Initiative anführen und gegen aussen vertreten, rütteln mit ihrem Engagement nicht nur an den Grundfesten der Eidgenossenschaft, sondern bringen auch ihre Mutterparteien in Verlegenheit. Die SVP ist bei der No-Billag-Initiative gespalten, weil ihre Vertreter aus der Westschweiz und den ländlichen Regionen die SRG mehrheitlich unterstützen. Möglicherweise beschliesst die Delegiertenversammlung der SVP im Januar Stimmfreigabe. Die FDP hat die Initiative im Parlament abgelehnt, sie wird an ihrer Delegiertenversammlung ebenfalls im Januar voraussichtlich die Nein-Parole fassen.
Yves Collet und Florian Maier reden gern über das Zustandekommen ihrer Idee, damals im November 2013 im Outback beim Stadelhofen. Der Dritte im Bund, Christian Zulliger, war in den letzten Tagen nicht für ein Gespräch erreichbar. Die Frage, ob sie manchmal staunen, was sie mit einer simplen Bieridee ausgelöst haben, beantworten Collet und Maier nüchtern. Sie staunen vor allem darüber, wie gleichgültig Medien und Politik mit dem Volksbegehren jahrelang umgegangen sind.
Die beiden sagen, die Lancierung der No-Billag-Initiative sei harte Arbeit gewesen. Von Tausenden Facebook-Likes zu den notwendigen 100'000 realen Unterschriften sei es ein weiter Weg. Die heutigen Hürden für eine Volksinitiative seien sicher genügend hoch. «Die wichtigste Erkenntnis für mich ist, dass ein Einzelner etwas bewirken kann. Dass er dem Volk eine Frage stellen kann», sagt Ideengeber Yves Collet. «Das ist der eigentliche Knüller an der ganzen Sache.»
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