«Die EZB-Sitzung kommt wie gerufen»
Wie Marktanalysten die Lage nach Italiens «No» und dem Rücktritt Renzis einschätzen.
«Es ist nicht sehr schwierig, Neuwahlen am Horizont aufziehen und einen Sieg der '5-Sterne-Bewegung' zu sehen, die die EU, den Euro oder beides verlassen will», sagte Mark Wills vom Vermögensberater State Street.
Thomas Gitzel, Chef-Ökonom der VP Bank, mahnte dagegen zur Besonnenheit. «Ich würde am heutigen Tag nicht das Wort Euro-Krise in den Mund nehmen. Italien dürfte jetzt eine Technokraten-Regierung bekommen. Das muss nichts Schlechtes bedeuten. Übergangsregierungen in Europa haben manchmal mehr hinbekommen als reguläre Regierungen.»
Zu den grössten Verlierern am japanischen Aktienmarkt zählten die Finanzwerte, deren Branchenindex um 1,8 Prozent abrutschte. «Langfristig wird der Ausgang des Referendums die Bemühungen Italiens verzögern, die dortigen Banken von ihren faulen Krediten zu befreien», sagte Minori Uchida, Chef-Devisenanalyst der Bank of Tokyo-Mitsubishi. Die Institute des südeuropäischen Landes sitzen auf einem 360 Milliarden Euro hohen Berg von Krediten, deren Rückzahlung fraglich ist.
Konkret sei der Blick nach der Italien-Abstimmung auf die EZB-Sitzung am bevorstehenden Donnerstag, heisst es in einem per Communiqué verbreiteten Kommentar der VP Bank. Mario Draghi werde nicht noch zusätzliches Öl ins Feuer giessen wollen. «Die Diskussion um einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Wertpapieraufkaufprogramm dürfte vom Tisch sein. Kommt es zu einer Adjustierung des Wertpapieraufkaufprogramms, um die Knappheitsproblematik bei Deutschen Bundesanleihen zu umgehen, könnte dies italienischen Staatsanleihen helfen.» Die EZB-Sitzung komme also wie gerufen. Der Blick auf den Donnerstag wirke am heutigen Tag für die Finanzmärkte wie eine Art von Fallschirm.
Das Abstimmungsergebnis in Italien sei keine solche Überraschung gewesen wie das Votum der Briten für den EU-Austritt ihres Landes im Juni oder der Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl im November, erklärte Analyst Yunosuke Ikeda von Nomura Securities. Gleichwohl werde Renzis Niederlage gegen populistische Kräfte in Europa Besorgnis auslösen.
Daisuke Karakama von der Mizuho Bank sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, der Euro werde wegen der in den kommenden Monaten bevorstehenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Italien unter Druck bleiben. «Es besteht die Möglichkeit, dass der Euro Parität zum Dollar erreicht», dass also ein Euro einem Dollar entspricht, sagte Yannick Naud von der Schweizer Bank Audi im Gespräch mit Bloomberg.
Franken wertet leicht auf
Der Franken hat sich nach dem Scheitern des Referendums in Italien nur leicht aufgewertet. In der Nacht zum Montag fiel der Euro zum Franken zwar zeitweise auf 1,0697 Franken, nach 1,0781 am Freitagabend. Allerdings erholte sich der Kurs schon bald wieder.
Am Morgen kostete ein Euro 1,0739 Franken und damit nur leicht weniger als am Freitag. Gegenüber dem Dollar verlor die europäische Gemeinschaftswährung am Montagmorgen ebenfalls leicht an Wert. Im frühen Handel wurde ein Euro zu 1,0565 US-Dollar gehandelt. Vor der Veröffentlichung des Wahlergebnisses notierte der Euro noch rund einen Cent höher.
Im Vorfeld des Referendums hatten Analysten im Fall eines Neins eine deutliche Schwächung des Euros befürchtet. Auf der anderen Seite droht dem Franken in Zeiten der Unsicherheit jeweils eine Aufwertung, da er als sicherer Hafen gilt.
AFP
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