
Den Häutungsprozess der deutschen Sozialdemokraten verkörpert kaum jemand so wie Rolf Mützenich. In der Ukraine ist diese Woche deutlich geworden, dass das dort anerkannt wird. Der Fraktionschef hat Fehler mit Blick auf Wladimir Putin eingestanden; denn er hat sich in ihm getäuscht. Er und Parteichef Lars Klingbeil reisten in die Ukraine, trotz früherer Anfeindungen, in Sachen Russland auf der falschen Seite der Geschichte gestanden zu haben. Die beiden SPD-Anführer waren selbst überrascht, dass sich die gesamte politische Führung in Kiew mit ihnen treffen wollte.
Dreht sich da was? Die Deutschen haben oft mit sich gerungen, aber wenn Kanzler Olaf Scholz dann eine Entscheidung zu Waffen- und Panzerlieferungen getroffen hat, wurde auch geliefert. Mützenich und Klingbeil haben entsprechend Mehrheiten dafür organisiert.
Kiew und dann Warschau bilden den Bogen für eine neue Ostpolitik der SPD. Eine von Willy Brandts Lehren ist, mehr auf die lange überhörten Partner in Osteuropa zuzugehen, und seien sie noch so schwierig wie Polens Regierung. Von Brandt lernen kann Klingbeil auch beim Thema militärische Stärke – nur wenn die zunimmt, kann auch die Freiheit Europas im Ernstfall überhaupt verteidigt werden. Und Stärke hilft, diplomatische Lösungen zu erzwingen.
Zu Brandts Zeiten waren die Verteidigungsausgaben gemessen am Bruttoinlandprodukt fast doppelt so hoch wie heute. Wie schwierig es wird, «Sicherheit vor Russland» (Klingbeil) zu organisieren, zeigen die bei der Reise aufgetretenen Debatten. Wie lange lässt sich eine so umfassende Unterstützung für die Ukraine durchhalten? Was bedeutet mehr Geld für Verteidigung für andere Ausgaben, gerade fürs Soziale? Braucht es eine stärkere Atombewaffnung in Europa?
Klingbeil muss seine Ostpolitik-Konzepte nun ausbuchstabieren. Das wird noch zu Schmerzen führen bei seiner SPD.
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Kommentar zur SPD-Russlandpolitik – Die deutschen Sozialdemokraten stehen vor einem schmerzvollen Prozess
Militärische Stärke hilft, diplomatische Lösungen zu erzwingen. Das hat nun auch die Spitze der SPD erkannt und Fehler im Umgang mit Putin eingestanden.