Notkredit von 50 Milliarden FrankenDie Credit Suisse hat Zeit gewonnen – reicht das?
Die Grossbank hat zwar einen Notkredit erhalten, doch die Nervosität an den internationalen Finanzmärkten steigt. Derweil verliert die CS an der Börse nach einem kurzen Hoch wieder an Wert.

Schon wieder minus 8 Prozent. Das Notprogramm der Schweizerischen Nationalbank hat der Aktie der Credit Suisse am Donnerstag kurzfristig auf die Sprünge geholfen. Doch am Freitag gibt sie deutlich nach.
Der Grund: Die alten Probleme verschwinden nicht über Nacht, neue kommen hinzu. In den USA wurde in diesen Tagen eine Klage gegen die Bank eingereicht. US-Investoren fühlen sich von der Bankspitze um CS-Chef Ulrich Körner hintergangen, weil diese zu wenig klargemacht habe, wie stark die Vermögensabflüsse im vierten Quartal des vergangenen Jahres gewesen seien. Dass Investoren in den USA klagen, kommt oft vor – ist in einer ohnehin schon angespannten Lage aber ein zusätzlicher Stressfaktor.
Zudem hat die Unsicherheit der letzten Tage zu einem weiteren Vermögensabfluss geführt. Laut dem Datenanbieter Morningstar Direct wurden zwischen Montag und Mittwoch aus europäischen und US-Fonds der Credit Suisse mehr als 450 Millionen Dollar abgezogen.
Die Bankspitze versucht derweil das Vertrauen in die CS zu stärken und wirbt für ihren Kurs. «Wir setzen unseren Plan um», hiess es in den vergangenen Tagen. Der 50-Milliarden-Kredit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) soll der angeschlagenen Grossbank genügend Zeit verschaffen, damit das gelingt. André Helfenstein, Chef der CS Schweiz, sagt gegenüber dem Schweizer Radio und Fernsehen: «Wir sehen es als vorbeugende Liquidität, um die Transformation der Credit Suisse durchführen und in dieser unruhigen Situation gut weiterarbeiten zu können.» Auch bei der Umsetzung des Sparprogramms sei die Bank auf Kurs.
«Das SNB-Paket wirkt, die Frage ist nur, für wie lange»
«Das SNB-Paket wirkt, die Frage ist nur, für wie lange», sagt Rainer Skierka, Bankenanalyst bei Research Partners, am Freitag. Die eigentliche Wirkung sei schwierig abzuschätzen, da es darum gehe, dass die Kundschaft mit ihrem Geld bei der Bank bleibe. «Wenn sie sich wohlfühlen, dann reicht das Paket», sagt Skierka. Wenn aber weiter Kundengelder abgezogen würden, könne die Bank noch lange sparen. «Das bringt dann nichts, weil die Ertragsbasis erodiert», sagt Skierka.
Nervosität ist gross
Das SNB-Paket habe etwas Ruhe gebracht, auch wenn die Aktie wieder verliert. «Die Panik hat sich etwas gelegt, das hilft der Bank. Allerdings bleiben die Märkte sehr angespannt», sagt Andreas Venditti, Analyst bei der Bank Vontobel. Das könne sich schnell wieder ändern. «Die Lage ist fragil.»
Im Finanzsystem ist die Nervosität gross. An den Märkten gibt es verschiedene Warnsignale. Die Preise für verschiedene Anleihen der Credit Suisse sind weiter gesunken. Ein Zeichen dafür, dass die Anleger an der Kreditwürdigkeit der Bank zweifeln. Die CDS-Spreads, also die Preise für eine Versicherung gegen einen Ausfall der Bank, sind weiterhin sehr hoch.
Schlechte Noten der Ratingagenturen
Die kurzfristigen Ausfallversicherungen verbleiben auf einem extrem hohen Niveau, diejenigen mit einer längeren Laufzeit sind seit Bekanntgabe des SNB-Rettungsrings sogar gestiegen. Die Noten für die CS von den Ratingagenturen sind schlecht. Sollten diese ihre Bewertungen weiter senken, wäre das ein weiterer schwerer Dämpfer.
«Professionelle Anleger schauen weniger auf den Aktienkurs, sondern eher auf die Stresssignale in den Kreditmärkten»
Die beiden grossen Ratingagenturen Fitch und Moody’s bewerten die CS-Anleihen nur zwei Stufen über Ramschniveau. Der Ausblick ist negativ. Heisst: Die nächste Bewertung dürfte tiefer liegen. «Professionelle Anleger schauen weniger auf den Aktienkurs, sondern eher auf die Stresssignale in den Kreditmärkten», so Venditti.
Bereits gehandelt hat die Ratingagentur DBRS Morningstar. Sie senkte am Donnerstagabend die Bewertung der Grossbank. Als Grund dafür nennt sie die zahlreichen Fehltritte und Compliance-Verstösse der letzten Jahre, die das Institut schwächen. DBRS mache sich zudem Sorgen, ob es Credit Suisse gelinge, «das Vertrauen wiederherzustellen».
Investoren wetten auf Kursverluste der CS
Solange das Vertrauen angeschlagen ist, lohnt es sich für Spekulanten, gegen die Bank zu wetten und auf Kursverluste der Aktien zu setzen. Das war in den letzten Wochen besonders lukrativ. Das Analyseunternehmen S3 Partners wertete jüngst sogenannte Leerverkaufspositionen gegenüber Bankaktien aus. Demnach gehört die CS zu denjenigen Banken, gegen die europaweit zuletzt am stärksten gewettet wurde. Auch andere Banken sind unter Druck: Bei der italienischen Unicredit und der französischen BNP Paribas nahmen in den letzten Wochen die Wetten auf Kursverluste stark zu.
Noch zu Beginn des Jahres hat es sich nicht gelohnt, gegen diese Banken zu wetten. Aber im März waren 95 Prozent aller Leerverkäufe rentabel. Das heisst: Wer gegen Banken wettete, hat in den letzten Tagen gutes Geld verdient.
Leerverkäufer dürften durch das SNB-Paket abgeschreckt werden, die Kurse aber noch eine Weile schwanken. «Der Aktienkurs ist im Moment wie ein Jo-Jo, und das dürfte noch eine Weile so bleiben», sagt Skierka. Erst wenn die Fortschritte der Bank sichtbar seien, werde sich das beruhigen.
Wird die Credit Suisse filetiert?
Nur was, wenn die Zeit nicht reicht? «Unseres Erachtens ist der Status quo keine Option mehr», so Kian Abouhossein, Analyst der US-Bank JP Morgan. Er glaubt an eine Filetierung der Credit Suisse. Der gesunde Schweizer Teil könnte auf eigene Beine gestellt werden, während die Vermögensverwaltung an die UBS übergehen könnte. Wobei aus der Branche zu hören ist, dass die UBS kein Interesse an einem Zusammenschluss hat.
In die gleiche Kerbe schlägt Vitor Constancio. Der ehemalige Vizepräsident der Europäischen Zentralbank schreibt auf Twitter: «Kann die CS ohne eine Übernahme oder eine Fusion gerettet werden?» Wohl wissend, dass kaum jemand eine solche Übernahme stemmen könnte. «Aber», so Constancio, «gibt es am Ende eine Alternative?»
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