Die Bierliebe zwischen der Reitschule und Einsiedeln bröckelt
Das Kulturlokal Dachstock schenkt neuerdings Egger statt Einsiedler aus. Damit endet in der Reitschule eine Ära.

Es ist eine spezielle Beziehung, die Alois Gmür, CVP-Nationalrat und Bierbrauer aus Einsiedeln, und die Reitschule, autonomes Kulturzentrum in Bern, seit mehr als 20 Jahren führen. Gmür versorgt die Reitschule mit Einsiedlerbier. Doch die Beziehung ist nicht nur eine geschäftliche. Wenn das Kulturzentrum in der Kritik steht, verteidigt der Innerschweizer Bürgerliche die Reitschüler öffentlich. Gmür ist ein regelrechter Reitschul-Fan geworden: Weilt er für die Nationalratssession in Bern, pflegt er im Restaurant Sous le Pont zu speisen. Die Reitschule wiederum lobt Gmür für seinen guten Service und seine fairen Preise.
Doch die Liebe ist nicht immer einfach: Als Gmür 2012 für die Verschärfung des Asylgesetzes votierte, riefen einige Reitschüler zum Bier-Boykott auf. Im Frauenraum gibt es darum bereits seit 2014 kein Einsiedlerbier mehr. Nun wird die Beziehung weiter strapaziert. Das Konzertlokal Dachstock, notabene das Reitschul-Kollektiv mit den durstigsten Gästen, hat Gmür die Liebe gekündigt. Schon bald will der Dachstock sein Bier nicht mehr in Einsiedeln, sondern in Worb bei der Brauerei Egger einkaufen.
Egger sticht alle aus
Mehrere eigenständige Brauereien wie eben Egger, aber auch Rugenbräu, Felsenau und Gmürs Rosengarten-Brauerei konnten Offerten als künftige Bierlieferanten einreichen. Hat der Dachstock, der in der Reitschule als geschäftstüchtigstes Kollektiv gilt, nun einfach das billigste Angebot ausgewählt? Nach welchen Kriterien entschieden wurde, wollen die Leute vom Dachstock nicht verraten. «Dies ist sprichwörtlich unser Bier», schreiben sie auf Anfrage. Nur so viel: Es seien keine politischen Gründe, die den Ausschlag gegeben hätten.
In Worb freut man sich über den neuen Kunden. «Wir haben mit unserer regionalen Verankerung und unserem breiten Sortiment überzeugen können», sagt Marcel Egger, der die Brauerei zusammen mit seinem Bruder in der sechsten Generation führt. 2,5 Millionen Liter Bier produziert seine Firma pro Jahr. In der Reitschule werden pro Jahr 40 000 Liter Bier getrunken, ungefähr die Hälfte davon im Dachstock. Das Konzertlokal ist für die Worber Brauer darum ein Grossabnehmer. «Wir sind auf neue Kunden angewiesen», sagt Egger. Denn der Bierverkauf im Gastgewerbe ist hart geworden, verschiedene Traditionsrestaurants sind in den letzten Jahren verschwunden. Ein Lichtblick ist laut Egger die steigende Nachfrage nach lokalen Produkten, die auch vor regionalem Bier nicht haltmache.
Egger: «Wir sind apolitisch»
Birgt die politische Gesinnung Eggers, wie die von Gmür, Konfliktpotenzial? Egger winkt ab und sagt: «Wir sind absolut apolitisch.» Ausschreitungen, wie es sie auf der Schützenmatte doch hin und wieder gibt, mag er zudem nicht in Verbindung mit der Reitschule und erst recht nicht mit seinem Bier bringen. «Ich glaube nicht, dass diese Problematik etwas mit den Lieferanten zu tun hat», sagt Egger. Sein Ziel sei, Bier herzustellen, und zwar so, dass seine 48 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen davon leben können. «Wir liefern allen Bier, die dies wünschen», sagt Egger. Ausgenommen davon seien Besteller, die gegen Gesetze verstossen. So würde Egger, und dies dürfte die Reitschüler und Reitschülerinnen freuen, kein Bier an Rassisten ausliefern. Noch sind die Bierfässer im Dachstock nicht gewechselt. Auch welche der Egger-Biere schon bald aus den Zapfhahnen strömen, sei noch nicht entschieden. «Wir bieten theoretisch alle im Offenausschank an», sagt Egger.
Trennungskummer in Einsiedeln
Ein langes Gesicht macht derweil Alois Gmür, der mit dem Dachstock einer seiner besten Kunden verloren hat. «Das tut weh», sagt Gmür. In der Reitschule darf er weiterhin die Rösslibar und das Restaurant Sous le Pont mit Einsiedlerbier beliefern. «Wir wollen dort auch ohne Dachstock den vollen Service bieten», sagt Gmür. Damit geht in der Reitschule eine Ära zu Ende: Seit 1994 schenkt der Dachstock Einsiedlerbier aus. Die Geschäftsbeziehung war damals aus der Not heraus entstanden: Die Reitschule suchte Ersatz für das von einem Grosskonzern aufgekaufte Boxerbier. Dass der Dachstock nicht mehr in Einsiedeln einkauft, sei traurig, jedoch keinesfalls das Ende der Brauerei Rosengarten, sagt Gmür und ergänzt: «Bisher hatten wir ein gutes Jahr.» Auch zu Entlassungen komme es nicht. Gmür hat das Dachstock-Team als Dankeschön für die langjährige Beziehung noch einmal nach Einsiedeln eingeladen. «Am 1. Juli kommen sie vorbei und schauen sich die Brauerei an», sagt Gmür.
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