Landvergabe im BaurechtDie allerletzte Abstimmung zum Viererfeld
Einmal gemeinnützig, einmal profitorientiert: Am 18. Juni entscheidet die Stadt Bern über die Vergabe von Bauland an die beiden grössten Investoren.

Ganze zwölf Mal müssen sich die Stimmberechtigten in der Stadt Bern am 18. Juni für ein Ja oder Nein entscheiden, verteilt auf acht städtische Vorlagen. Teil der Abstimmungsflut (angesichts derer sich die Frage nach der Überforderung der Stimmbürgerinnen und -bürger stellt) ist die geplante Überbauung auf dem Vierer- und Mittelfeld, bei der es um die Vergabe von zwei Baurechten geht.
Ein zweifaches Ja am nächsten Abstimmungssonntag vorausgesetzt, steht dem Bauprojekt nichts mehr im Weg. Am Rand der Länggasse entstehen dann rund 1140 Wohnungen für 3000 Bewohnerinnen und Bewohner, Räume für rund 700 Arbeitsplätze sowie ein Stadtteilpark.
Vor der allerletzten Abstimmung über das Vierer- und Mittelfeld beantworten wir die wichtigsten Fragen.
«Allerletzte Abstimmung» – was ist denn die Vorgeschichte?
Eine Überbauung des Viererfelds wurde bereits vor 60 Jahren diskutiert, damals noch mit der Idee eines Universitätscampus. Das Projekt eines neuen Stadtquartiers kam erstmals 2004 vors Volk – und wurde mit 51,7 Prozent Nein-Stimmen bachab geschickt. Zwölf Jahre später fand das Vorhaben im zweiten Anlauf eine Mehrheit: 2016 stimmten 53 Prozent für den Kauf und die Entwicklung des Viererfelds, 57 Prozent für den Zonenplan Mittelfeld.
Letztmals über das Projekt abgestimmt wurde vor gut zwei Monaten, als der 125-Millionen-Franken-Kredit für Infrastruktur und weitere Planung von 64,08 Prozent der Stimmberechtigten angenommen wurde. Diese Abstimmung galt als letzte Möglichkeit für die Gegnerinnen und Gegner der Überbauung, diese noch zu verhindern. Entsprechend laut wurde im Vorfeld gestritten – mit einem «überraschend deutlichen Ergebnis», wie das unterlegene Lager danach einräumen musste.
Wieso ist es dieses Mal so ruhig?
Hätte das Volk im März den Infrastrukturkredit abgelehnt, wären die Pläne für eine Viererfeld-Überbauung erneut für mindestens zwei bis drei Legislaturen in der Schublade gelandet. Deshalb liess das Komitee «Nein zur Viererfeld-Vorlage» nichts unversucht und investierte viel Geld und Herzblut, um das Projekt zu bodigen. Nach der Enttäuschung im März scheint die Luft aber etwas draussen zu sein; es sei offen, ob man noch einmal Mobilisierungsversuche unternehme, heisst es beim Komitee.
Das Pro-Lager startet also mit Rückenwind. Die Ausgangslage vor der Juni-Abstimmung unterscheidet sich aber noch in einem weiteren wesentlichen Punkt fundamental von jener im März: Ein Nein zur Juni-Vorlage würde die Planung zwar weiter verzögern, aber nicht grundsätzlich stoppen.
Worum geht es am 18. Juni konkret?
Ein zweifaches Ja würde den Gemeinderat ermächtigen, mit der Hauptstadtgenossenschaft und der Mobiliar Asset Management AG jeweils einen Baurechtsvertrag abzuschliessen. Die beiden sind unter den sechs Investoren, die die erste Bauetappe realisieren sollen, die beiden grössten Player. So sollen von den rund 350 Wohnungen der ersten Etappe 200 von der Hauptstadtgenossenschaft und 75 von der Mobiliar Asset Management AG realisiert werden.
Weil die beiden grössten Baurechtsflächen je einen Marktwert von über zehn Millionen Franken aufweisen, liegt deren Vergabe in Volkskompetenz – deshalb die Abstimmung am 18. Juni. Die vier weiteren Investoren der ersten Etappe sind die städtische Personalvorsorgekasse, die Pensionskasse der Berner Kantonalbank, die Burgergemeinde Bern und die Innere Enge Holding AG. Letzterer hat der Gemeinderat Bauland in eigener Kompetenz zugesichert, den drei anderen der Stadtrat.

Die Hauptstadt-Genossenschaft – ein Zusammenschluss von rund 30 regionalen Wohnbaugenossenschaften – vermietet ihre Wohnungen in Kostenmiete und profitiert dafür von einem tieferen Baurechtszins. Laut städtischem Musterbaurechtsvertrag für gemeinnützige Wohnbauträger wird dieser zwischen 18 und 25 Franken pro Quadratmeter oberirdischer Geschossfläche liegen. Im Gegenzug verpflichtet sich die Genossenschaft etwa zu Einkommenslimiten der Mietenden und Mindestbelegungen von Wohnungen.
Keine Angaben macht das Abstimmungsbüchlein zum Baurechtszins, den die renditeorientierten Investoren werden bezahlen müssen. Dessen Höhe werde sich «an marktwirtschaftlichen Kriterien orientieren», heisst es bloss.
Laut dem Ja-Komitee, das am Mittwoch zu einer Medienkonferenz eingeladen hatte, garantiert insbesondere der hohe Anteil gemeinnütziger Wohnungen – 50 Prozent auf dem Viererfeld und mindestens gleich viel auf dem Mittelfeld –, dass ein dichtes, ökologisches und sozial durchmischtes Quartier mit einem breiten Spektrum an Wohnungstypen entstehen wird.
Nach den sechs Baufeldern der ersten Etappe sollen vierzig weitere Baufelder das neue Stadtquartier komplettieren. Weil deren Marktwert jeweils unter fünf Millionen Franken liegt, fällt ihre Vergabe in die Kompetenz des Gemeinderats. Dieser wird die einzelnen Parzellen in einem Bieterverfahren ausschreiben.
Fast alle Macht dem Gemeinderat – und fast alle finden das gut?
Nein. Die Art der Vergabe der Baufelder wird von SVP, FDP und Mitte als intransparent kritisiert, wie bereits im Vorfeld der März-Abstimmung manifest wurde. Damals bezeichnete etwa die jungfreisinnige Stadträtin Florence Schmid die beiden Vergaben in Volkskompetenz als «Feigenblatt» – während der Gemeinderat das restliche Areal «in einzelne ‹Portiönchen› unterteilt» habe, um diese selber vergeben zu können. Zur aktuellen Vorlage haben SVP sowie FDP die Nein-Parole und Die Mitte Stimmenthaltung beschlossen.
Finanzdirektor Michael Aebersold (SP) dagegen wies darauf hin, dass die Vergabe von Baurechten im Reglement über die städtische Boden- und Wohnbaupolitik geregelt sei. Die Stadt verfahre mit der Baurechtsvergabe im Vierer- und Mittelfeld genau so, wie es sich etwa im Warmbächli oder in der Wankdorf-City bewährt habe.
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