9 Momente, die uns bleibenLachen, staunen und weinen mit Jacinda Ardern
Die abtretende neuseeländische Ministerpräsidentin war bekannt für ihr Charisma – ihre Auftritte gingen oft viral. Etwa, als Johnson in London sie bei der Begrüssung durchschüttelte.
Ausgerechnet Jacinda Ardern, die psychische Gesundheit immer wieder zum Thema machte, tritt wegen Erschöpfung zurück. Unter Tränen vermeldete sie ihren Entschluss, der in Neuseeland zu einem politischen Umbruch führt. Der Abgang der charismatischen Politikerin steht in Einklang mit ihrer Karriere. Das Bild der starken Leaderin versah sie mit Qualitäten wie Empathie und Freundlichkeit.
Diese neue Art des politischen Führens inszenierte Ardern bewusst, wobei ihr ihre naturgegebene Schlagfertigkeit zusätzliche Popularität einbrachte. Ihre Gegner bezichtigten sie deshalb mitunter, mit ihrem Charisma und den medienwirksamen Auftritten (sie traf die Queen etwa in einem Maori-Kleid) von innenpolitischen Problemen abzulenken.

Tatsächlich war Ardern die erste Spitzenpolitikerin Neuseelands, die auch auf der anderen Seite der Erdkugel breit bekannt war. Ob das an ihrer progressiven Politik oder ihrem Auftreten lag? Es war wohl eine Mischung aus beidem. Sicher ist: Im Zeitalter der sozialen Medien verbreiteten sich die «Ardern-Momente» besonders rasant. Wir stellen neun vor.
Trösterin und Brückenbauerin
Am 15. März 2019 wurde Neuseeland von einem Terroranschlag erschüttert, als ein Mann das Feuer auf zwei Moscheen eröffnete und 51 Menschen tötete. Ardern traf sich mit den Hinterbliebenen der Opfer. Vor allem aber entschied sie, den Täter niemals beim Namen zu nennen. «Er wollte viele Dinge mit diesem Terrorakt erreichen, und eines davon war Berühmtheit, und deshalb werden Sie nie hören, dass ich seinen Namen nenne», sagte sie in einer Rede vor dem Parlament.
Kein «wir und sie» war von ihr im Zusammenhang mit dem Anschlag zu hören, immer nur «wir». So einigte sie das traumatisierte Volk über die politischen Lager hinweg – und boxte ein bisher undenkbares Waffenverbot durch.
Die Kaffeekränzchen-Frage
Wie aus dem Lehrbuch für sexistische Journalistenfragen schien die Bemerkung eines Reporters bei einer Pressekonferenz im vergangenen November. Jacinda Ardern hatte sich erstmals mit ihrer finnischen Amtskollegin, Premierministerin Sanna Marin getroffen. Beim gemeinsamen Medientermin erkundigte sich ein Reporter, ob sich die beiden nur wegen ihres ähnlichen Alters (37 beziehungsweise 42 Jahre) und wegen ihres ähnlichen Werdegangs getroffen hätten – oder ob denn tatsächlich politische Resultate, zum Beispiel neue Abkommen zwischen den Ländern, zu erwarten seien.
Doch Ardern kontert schlagfertig. Im Video ist zu sehen, wie sie ungläubig ihren Kopf neigt, schon während der Journalist seine Frage formuliert, bevor sie ihm ins Wort fällt und rhetorisch fragt: Ob Barack Obama und John Key (der frühere neuseeländische Premier) jemals eine solche Frage gestellt worden wäre? Und Sanna Marin ergänzt trocken: «Wir haben uns getroffen, weil wir Premierministerinnen sind.» Game, set, match.
Erdbeben? Cool bleiben
Die Neuseeländerinnen und Neuseeländer schätzten Jacinda Ardern für ihr gelassenes Auftreten. Auch in Livesituationen zeigte sie sich unerschütterlich, selbst von Erdbeben liess sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Einmal befand sich die Politikerin mitten in einem Live-Interview, als hinter ihr das Dekor wackelte. «Eine ordentliche Erschütterung», kommentierte Ardern amüsiert: Sie stehe nicht unter einer Hängelampe, man könne also problemlos mit dem Gespräch fortfahren.
Ein anderes Mal warb sie bei einer Pressekonferenz für Corona-Impfungen, als plötzlich die Erde bebte. Sichtlich überrascht schreckte Ardern auf, hatte sich aber schon eine Sekunde später wieder gefangen und fragte den Journalisten mit dem charmantesten Lächeln, ob er seine Frage wiederholen könne. Es habe da «eine kleine Ablenkung» gegeben.
Das Baby mit dem UNO-Badge
Jacinda Ardern war seit vielen Jahren die erste Spitzenpolitikerin, die im Amt ein Kind zur Welt brachte. Und bewies, dass es möglich ist, als junge Mutter Regierungsverantwortung zu übernehmen. Die ganze Nation kennt ihre Tochter Neve, heute viereinhalbjährig.
Was auch daran liegt, dass Ardern ihr Familienleben stets mit ihren öffentlichen Auftritten verband. Schon mit drei Monaten reiste ihr Baby mit an eine Konferenz der UNO-Vollversammlung und sass in den Armen seiner Mutter im Saal. Als Ardern ans Rednerpult trat, übernahm ihr Lebenspartner Clarke Gayford den Säugling. Er postete später auch den Zutrittsbadge seiner Tochter auf Twitter.
Mit solchen Auftritten sammelte Ardern natürlich Sympathiepunkte, signalisierte andererseits aber auch, dass Politikerinnen und Politiker ihre Elternschaft auch mal mit in den Konferenzsaal bringen dürfen. Nach ihrem Rücktritt wird die Frage nach der Vereinbarkeit von Spitzenpolitik und Familie freilich zum Thema werden.
«Mummy?»
Ihre Nahbarkeit war eine weitere Stärke von Jacinda Ardern. Das liegt auch daran, dass sie gern mit ihrem Image als Mutter kokettierte. Botschaft: Ich bin zwar Regierungschefin, habe als Mutter aber die gleichen Probleme wie ihr. Während der Corona-Krise sprach sie in einem abendlichen Facebook-Livestream über die neusten Massnahmen, als im Hintergrund plötzlich eine Mädchenstimme zu hören war: «Mummy?» Offensichtlich Tochter Neve, die ins Bild lief – welche Mutter oder welcher Vater kennt das nicht?
Ardern reagierte gelassen: «Du solltest im Bett sein, Schatz.» Und fragte dann in die Kamera: «Passiert das euch auch?» Am Ende musste sie den Stream allerdings beenden, da ihre Kleine nach ihr verlangte.
Ups, Mikrofon war noch an
Eigentlich kennt man Jacinda Ardern als stets charmant und gut gelaunt – zumindest, solange die Kameras laufen. Dass sie auch anders kann, zeigte sich neulich in einer Parlamentsdebatte. Ein Oppositionspolitiker hatte gesprochen. Die Regierungschefin reagierte genervt, und als sie sich wieder hinsetzte, murmelte sie: «Er ist so ein arroganter Arsch (‹arrogant prick›).»
Woran sie nicht gedacht hatte: Dass das noch eingeschaltete Mikrofon an ihrem Pult die Beleidigung aufnahm. Und diese schliesslich den Weg ins Parlamentsprotokoll fand.
Immerhin endete das Ganze in einer wohltätigen Aktion: Ardern entschuldigte sich bei ihrem Kollegen für den Affront, und das von beiden signierte Parlamentsprotokoll wurde zugunsten eines guten Zweckes versteigert. Knapp 60’000 Franken kamen für Krebskranke zusammen.
Hammer-Handschlag mit Boris Johnson
Im Sommer 2022 ging ein Clip von ihr viral, in dem Ardern für einmal niemandem die Show stahl – jedenfalls nicht absichtlich. Der damalige britische Premierminister Boris Johnson zerrte bei einer Begrüssung ihre Hand so ausgiebig, dass sich Beobachter auf beiden Seiten des Globus fragten, ob sich Ardern wohl eine Verletzung zugezogen hatte.
Sie selbst sagte später dazu: «Ich habe es gar nicht bemerkt, bis mir jemand eine Aufnahme davon schickte. Aber ich kann verstehen, warum es so aussah, als ob ich eine Klage wegen Arbeitsunfällen hätte einreichen müssen ... doch es geht es mir gut.»
Der «Bündnerfleisch-Moment»
Man erinnere sich an die herrliche Szene, als der damalige Bundesrat Hans-Rudolf Merz sich ob einer dümmlichen Parlamentarierfrage zu Bündnerfleisch das Kichern nicht verkneifen konnte und schliesslich laut herauslachte. Ähnlich erging es Jacinda Ardern, als sie in einer Fernsehsendung auf ihren Auftritt wartete.
Die Moderatoren spielten eine ältere Aufnahme aus einem Cricketspiel ein, in dem ein Spieler wegen eines Krampfes heulend zu Boden geht. Das Video hat in Neuseeland Kult-Charakter – und Jacinda Ardern vergass kurzzeitig, dass sie Regierungschefin war und nicht zu Hause vor dem Fernseher sass. Sie kicherte nur noch und wischte sich gar eine Träne aus den Augen.
Die Hobby-Bäckerin
Dass Ardern ein Kommunikationstalent war und die Klaviatur der sozialen Medien meisterhaft zu spielen wusste, zeigten nicht zuletzt ihre Geburtstagskuchen-Posts. In einer jährlichen Serie, die jeweils die Aufmerksamkeit der ganzen Nation erregte, machte es sich Ardern zur Gewohnheit, die Geburtstagskuchen ihrer Tochter Neve mit einer Anekdote zu versehen.
Etwa jener Kuchen mit einem Marzipan-Klavier, das von einem Glas Linsen gestützt wurde: «Tortenlektion Nummer zwei: Konzentriere dich nicht auf die Proportionen der Torte und achte nicht auf die strukturelle Integrität. Alles Gute zum Geburtstag, Neve! Danke, dass du alle Unvollkommenheiten des Lebens ignorierst und einfach nur Freude machst.»
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