Der zweite Coup des Disc-Jockeys
Oppositionschef Rajoelina
Während seines ersten öffentlichen Auftritts seit zehn Tagen hat der vorübergehend abgetauchte madagassische Oppositionschef Andry Rajoelina am Wochenende den amtierenden Präsidenten Marc Ravalomanana für abgesetzt erklärt und die Bildung einer Übergangsregierung angekündigt. Vor mehreren Tausend auf dem Platz des 13. Mai in der Hauptstadt Antananarivo versammelten Anhängern stellte der 34-jährige Oppositionschef dem Staatspräsidenten am Samstag ein Ultimatum: «Wir bitten Sie höflich, innerhalb von vier Stunden zurückzutreten», sagte Rajoelina: «Ich möchte keine Panzer oder Soldaten zu Ihrem Palast schicken.» Rajoelina will keinen DialogDoch das Ultimatum verstrich ereignislos. «Ich bin weiterhin der Präsident Madagaskars», sagte Ravalomanana am Sonntag vor seinem wenige Kilometer ausserhalb Antananarivos gelegenen Amtssitz zu ebenfalls Tausenden von Anhängern: «Und ich beabsichtige auch niemals zurückzutreten.» Der Präsident bezeichnete die Oppositionsbewegung als «illegitime Strassenproteste, die ihre Fortexistenz allein dem Terror und der Unterdrückung verdanken», und forderte Oppositionschef Rajoelina auf, sich einer «nationalen Konferenz» anzuschliessen, mit der eine demokratische Lösung der bereits seit sieben Wochen anhaltenden Krise gefunden werden solle. Ravalomanana hat auch ein Referendum zur Lösung der Krise angeboten.Rajoelina schloss allerdings bereits Mitte vergangener Woche einen Dialog mit der gegenwärtigen Regierung aus, weil diese sich nicht ernsthaft auf Verhandlungen einlasse. Zahlreiche Oppositionsanhänger besetzten am Samstag das Büro des Ministerpräsidenten und erklärten ihren Kandidaten Roindefo Monja zum neuen Regierungschef. Monja verlas eine Stellungnahme, in der der gegenwärtige Präsident, der Ministerpräsident und sämtliche Minister für abgesetzt sowie das Parlament für aufgelöst erklärt wurden. Die neue Übergangsregierung werde bis in spätestens zwei Jahren Neuwahlen abhalten, hiess es weiter.Armee macht KehrtwendeDer Versuch, den 59-jährigen Präsidenten Ravalomanana für abgesetzt zu erklären, ist bereits der zweite Coup-Versuch der Opposition: Anfang Februar scheiterte ein erster Anlauf Rajoelinas, die Regierung über den 20 Millionen Einwohner zählenden Inselstaat zu übernehmen. Nach Unruhen, die mehr als 130 Menschenleben kosteten, und wochenlangem Tauziehen tauchte Rajoelina am 5. März ab und stellte sich unter den Schutz der Vereinten Nationen, weil ihn Sicherheitskräfte anscheinend zu verhaften suchten. In der vergangenen Woche änderten sich die Machtverhältnisse allerdings entscheidend, indem das Militär Staatspräsident Ravalomanana die Unterstützung entzog. Zunächst hatte Armeechef Edmond Rasolomahandry beide Seiten des Konflikts am Dienstag aufgefordert, ihre Differenzen «innerhalb von 72 Stunden» beizulegen – andernfalls werde die Armee die Macht übernehmen.Anderntags wurde der Armeechef jedoch vom Generalstab abgesetzt (was eigentlich dem Präsidenten vorbehalten ist) und durch Andre Andriarijaona ersetzt, der Ravalomanana kurze Zeit später unverblümt zum Rücktritt aufforderte. «Sein Festhalten an der Macht ist sinnlos», sagte der General: «Und wenn Rajoelina die Lösung sein sollte, die unserem Land Frieden bringt, dann werden wir ihn unterstützen.» Wachsende UnzufriedenheitUm die politische Zukunft Ravalomananas steht es seit dem Stimmungsumschwung im Militär schlecht: Dem Liebling des Weltwährungsfonds werfen viele Madagassen vor, das Land vor allem zum Nutzen seines eigenen Geschäftsimperiums gelenkt zu haben. Der einstige Milchverkäufer, der sich zu einem der reichsten Unternehmer der Insel emporgearbeitet hatte, übernahm vor sieben Jahren nach einem ebenfalls monatelangen Machtkampf mit seinem Vorgänger Didier Ratsiraka die Regierung und öffnete das Land für ausländische Investitionen. Von der wirtschaftlichen Liberalisierung profitierte die breite Bevölkerung allerdings nicht: Nach wie vor haben 70 Prozent der Madagassen mit weniger als zwei Dollar am Tag auszukommen.Die wachsende Unzufriedenheit wusste der ehemalige Disc-Jockey und junge Stadtpräsident Antananarivos, Rajoelina, für seinen kometenhaften politischen Aufstieg zu nutzen. Im Dezember kamen die Spannungen zwischen Ravalomanana und Rajoelina zu einem ersten Höhepunkt, als der Präsident Rajoelinas TV-Sender schliessen liess, nachdem dort ein Interview mit dem im französischen Exil lebenden Ex-Präsidenten Ratsiraka ausgestrahlt worden war. Rajoelina bezeichnet den Staatschef seitdem als Diktator, der die Insel wie seinen Privatbetrieb führe. Westliche Regierungen und die Afrikanische Union forderten die Konfliktparteien am Wochenende auf, ihre Differenzen durch Gespräche aus dem Weg zu räumen: Beobachter befürchten allerdings, dass der Konflikt in den kommenden Tagen noch weiter eskalieren wird.>
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