Visuelle ÜbersichtDer Ukraine-Krieg in Grafiken und Karten
Ein Überblick zu wichtigen Entwicklungen im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland.
Diese Übersicht ist chronologisch aufgebaut. Neue Einträge bilden den Stand des jeweiligen Datums ab:
6. März 2023
Daten zeigen historisches Ausmass der russischen Todesopfer
Schon über ein Jahr dauert der Krieg in der Ukraine, und die Russen haben noch keines ihrer militärischen Ziele erreicht – trotz enorm hoher Verluste an Material und Truppen. Wie hoch diese genau sind, ist schwierig zu beziffern, weil Moskau nicht transparent ist. Aber es gibt verschiedene Schätzungen, und die aktuellste lässt aufhorchen.
Laut einer Analyse des Center for Strategic and International Studies (CSIS) aus den USA sind mittlerweile schon 60’000 bis 70’000 russische Soldaten in der Ukraine gestorben. Das ist mehr als in allen Konflikten mit russischer respektive sowjetischer Beteiligung seit dem Zweiten Weltkrieg zusammen. Diese forderten innerhalb von über 70 Jahren nur gut 49’000 Tote.
Mitgezählt werden auch der Konflikt im ukrainischen Donbass ab 2014 sowie die Kriege in Afghanistan und Tschetschenien, wo Russland demütigende Niederlagen erlebte, die das Land traumatisierten. Das CSIS hat berechnet, dass die monatliche Durchschnittsrate an getöteten russischen Soldaten in der Ukraine mindestens 25-mal höher ist als in Tschetschenien und 35-mal höher als in Afghanistan.
Sicher ist: Die beiden Konfliktparteien beklagen ein Vielfaches mehr Todesfälle, als sie selbst zugeben. Das US-Militär ging bereits im November von geschätzten 100’000 Toten und Verwundeten aus – sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite. Laut Berechnungen des britischen Geheimdienstes vom Februar sind schon etwa 60’000 Russen getötet und über 100’000 verletzt worden.
Die Gründe für die enorm hohen Verluste sind vielfältig. Der aktuelle Krieg ist zu einem Zermürbungskrieg geworden mit Schützengräben, ständigem Artilleriebeschuss und erbitterten Kämpfen um jedes Dorf. Keine der beiden Seiten will zurückweichen, das führt zu vielen Toten. Und die russischen Verluste haben nochmals stark zugenommen, seit die Söldnertruppe Wagner den Vorstoss im Osten anführt. Sie verheizt unerfahrene und schlecht ausgebildete Männer, darunter viele ehemalige Häftlinge, als Kanonenfutter.
Zudem sei die ukrainische Kriegsführung innovativer, schreibt das CSIS. Zum Beispiel beim Einsatz von Drohnen. Viele der Innovationen seien von unten nach oben entstanden, dank eines militärischen Umfelds, das junge Offiziere ermutige und befähige, selbst die Initiative zu ergreifen. Deshalb würden sich die Angegriffenen «ausserordentlich gut» gegen einen Gegner mit einem erheblichen Vorteil bei den materiellen Ressourcen schlagen.
23. Februar 2023
1 Jahr Krieg: So viele eroberte Gebiete hat Russland wieder verloren
Was haben die Russen nach einem Jahr Krieg erreicht? Nicht viel, wenn man sich die Entwicklung der eroberten Gebiete anschaut. Am 24. März 2022, auf dem Höhepunkt ihrer Invasion, kontrollierten sie (inklusive den prorussischen Separatistengebieten und der Krim) eine Fläche von über 134’000 Quadratkilometern. Zählt man die russischen Vorstösse dazu, waren es sogar über 163’000 Quadratkilometer, was 27 Prozent der Ukraine entsprach. Im April verloren die Russen aber ein Viertel des eingenommenen Gebiets bereits wieder. Und ab dem Herbst konnten die Ukrainer weitere Gebiete zurückerobern.
Erst im aktuellen Jahr schlug das Pendel wieder auf Russlands Seite, das im Osten leicht vorrücken konnte, aber nur gut 500 Quadratkilometer dazu gewann. Heute kontrollieren die Invasoren 108’000 Quadratkilometer respektive 17,9 Prozent des Landes – ein Drittel weniger als noch im letzten März.

Die Russen machen seit Monaten kaum Fortschritte und beklagen gleichzeitig enorm hohe Verluste – sowohl, was das Kriegsmaterial angeht als auch die Truppen. Wie ist es soweit gekommen? Wie gelang es den Ukrainern allen anfänglichen Prognosen zum Trotz der russischen Übermacht standzuhalten? Wir haben die entscheidenden Phasen und Wendepunkte des ersten Kriegsjahres in Grafiken nachgezeichnet.
10. Februar 2023
Schon 8 Millionen Flüchtlinge – welche Länder am meisten aufgenommen haben
Es handelt sich um die grösste Flüchtlingsbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg: Gut 8 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer – jede und jeder Fünfte – sind mittlerweile schon ins Ausland geflohen. Daten des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR zeigen, dass die meisten im benachbarten Ausland untergekommen sind. Aber auch nach Westeuropa hat es viele getrieben. Wir haben berechnet, welche Länder absolut und im Verhältnis zu ihrer eigenen Bevölkerung am meisten Geflüchtete aufgenommen haben.
Vergleicht man die absolute Anzahl, flohen die meisten nach Polen und Deutschland, die schon über 1 Million ukrainische Flüchtlinge verzeichnen und damit deutlich mehr als der Rest Europas. Berücksichtigt man aber die Bevölkerungsgrösse der Aufnahmeländer, sind es kleinere Staaten wie Montenegro (das vor dem Krieg ein beliebtes Ferienziel der Ukrainer war), Estland und Tschechien, die besonders stark belastet sind.
Die Schweiz hat knapp 79’000 Ukrainerinnen und Ukrainer registriert. Das sind 903 Geflüchtete pro 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner. Damit landet die Schweiz auf Rang 15 von 41 europäischen Ländern. Sie hat im Verhältnis zu ihrer Grösse mehr Kriegsflüchtlinge aufgenommen als ihre Nachbarn Frankreich und Italien und etliche andere Staaten in Westeuropa. Aber es gibt auch Länder, die vergleichsweise stärker betroffen sind, etwa Deutschland und Österreich.
Neben den Millionen Menschen, die ins Ausland geflohen sind, gibt es auch viele Binnenvertriebene. Damit sind Zivilisten gemeint, die ihren Wohnort verlassen mussten, aber im Land blieben. Zählt man sie dazu, ist insgesamt fast ein Drittel der Bevölkerung betroffen, wie dieser Artikel zum Thema zeigt.
3. Februar 2023
Russland steht in Bachmut kurz vor dem ersten Sieg seit Monaten
Es ist die längste Schlacht dieses Krieges: Seit dem Sommer versuchen russische Truppen Bachmut einzunehmen. Schritt für Schritt sind sie in Richtung der ostukrainischen Stadt vorgerückt. Kürzlich eroberten sie den Nachbarort Soledar. Und jetzt haben sie Bachmut so gut wie eingekreist. Die Stadt, die zu einem Symbol des Widerstands der Ukrainer geworden ist, wird wahrscheinlich fallen. Es wäre der erste bedeutende Sieg Russlands auf dem Schlachtfeld seit dem Sommer.

Bachmut ist laut Experten das Tor zu den urbanen Zentren des Donbass, zu Slowjansk oder Kramatorsk. Auch eine neue Angriffsachse in Richtung Siversk ist denkbar, womit ukrainische Truppen eingekesselt werden könnten.

Beim Kampf um die Stadt sind schon Tausende auf beiden Seiten gestorben. Wofür wurden so viele geopfert? Was macht Bachmut so besonders? Lesen Sie mehr dazu in diesem ausführlichen Artikel.
27. Januar 2023
Die Ukraine ist übersät mit Minen und Blindgängern
Die Ottawa-Konvention verbietet die Herstellung, die Lagerung, Weitergabe und den Einsatz von Antipersonenminen. Fast alle Länder haben diese Konvention unterschrieben. Eine Ausnahme ist Russland, das seit fast einem Jahr einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt und solche Kampfmittel einsetzt.
Seit Kriegsbeginn gab es durch Explosionen von Minen und Blindgängern in der Ukraine über 160 tote Zivilistinnen und Zivilisten – unter ihnen mehrere Dutzend Kinder. Hinzu kommen fast 400 Verletzte. Betroffen sind die umkämpften oder ehemals umkämpften Gebiete, insbesondere auch die Region um die Hauptstadt Kiew, welche die Russen zu Beginn der Kampfhandlungen einnehmen wollten.
Die Daten stammen vom britischen Halo Trust, einer Nichtregierungsorganisation, die sich in der Minenräumung engagiert. Abgedeckt ist der Zeitraum von Invasionsbeginn bis Anfang Januar 2023. Die Sprecherin von Halo Trust geht davon aus, dass es eine grosse Dunkelziffer gibt.
Welche Minen und Blindgänger am meisten zivile Opfer fordern und warum das US-Aussenministerium Russland mit dem Islamischen Staat vergleicht, lesen Sie in diesem ausführlichen Artikel zum Thema.
6. Januar 2023
Wie «Putins Koch» in Russland die Gefängnisse leert
Um die Löcher in der eigenen Armee zu stopfen, ist Russland jedes Mittel recht. Spätestens seit Sommer 2022 rekrutiert die Söldnertruppe Wagner, eine Art Schattenarmee, neues Personal vornehmlich in russischen Gefängnissen. Der Wagner-Chef persönlich – Putins früherer Privatkoch Jewgeni Prigoschin – taucht in den Anstalten auf und versucht die Häftlinge vom Kriegsdienst zu überzeugen.
Wie massiv diese Rekrutierungswelle ausfällt, zeigen nun Daten des nationalen Gefängnisdienstes (FSIN). Im August 2022 vermeldete der FSIN noch einen Bestand von rund 349’000 Häftlingen in Russland und im September Tausend weniger, was laut dem unabhängigen russischen Medienportal Mediasona konsistent mit dem steten Rückgang über die letzten Jahre hinweg ist. Doch im Oktober und November sank die Zahl plötzlich um mehr als 23’000 Häftlinge.
Dabei handelt es sich um den grössten Rückgang im Bestand der russischen Gefängnisse seit mindestens 2014. Selbst 2015 war der Rückgang weniger gross: Damals jährte sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 70. Mal und im Rahmen der Feierlichkeiten verkündete Putins Regime eine Amnestie. Auch während der Corona-Pandemie sank die Population in den Anstalten. Die Vermutung ist, dass die Richter damals bewusst mildere Strafen verhängten, um die so oder so schon vollen Anstalten nicht noch mehr zu überlasten – und damit letztlich die Häftlinge besser vor dem Virus zu schützen.
Gemäss unabhängigen russischen Medien gibt es derzeit keine Amnestie oder Gesetzgebung, die den Rückgang in der Population erklären könnte. In Frage kommt daher einzig die Rekrutierung durch die Wagner-Truppen. Schätzungen zufolge hat Prigoschin mittlerweile über 35’000 russische Häftlinge für den Ukraine-Krieg angeworben. Als Gegenleistung für den Militärdienst erhalten die Insassen eine vergleichsweise gute Bezahlung. Zudem sollen sie nach sechs Monaten im Dienst ihre Freiheit zurückerlangen.
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